No Gravity
Fortschritt (27.10.2007)20%
20%Gesamtwertung

Die rebellischen Coderpioniere aus der Demoscene zeigen auf jährlichen Treffen nicht nur beeindruckende Grafikdemos, sondern haben manchmal auch das eine oder andere Leckerli für die Gamer parat. Wer erinnert sich beispielsweise noch an den Ego-Shooter „Kkrieger„? Das Spiel war gerade mal 96kb groß, aber bot teilweise Grafiken, die mit Vollpreistiteln standhalten konnte. Überhaupt hat man angesichts des Umfangs die Kinnlade nicht hochbekommen: Grafik, Sound, Gameplay, Menü, ein kompletter Level … alles in nur 96kb? Warum verschlingen dann andere Spiele ganze Gigabytes? Selbstverständlich war „Kkrieger“ nun aufgrund seines Beta-Stadiums längst keine Konkurrenz, trotzdem hat sich das deutsche Team namens theprodukkt den 2006 verliehenen Deutschen Entwicklerpreis redlich verdient.

Entwickler von professionellen Videospielen profitieren teils enorm von den Tricks und Kniffen der Demoscene-Programmierer, die mit ihren Demos in manchen Fällen genug Aufmerksamkeit erregen konnten, um an einen festen Job zu kommen. Jüngstes Beispiel ist „Spore“: Will Wright hat in Interviews offen zugegeben, dass ohne das Know How der Codezeilenjonglierer eine Umsetzung seiner Spielidee nicht möglich gewesen wäre. Wenn doch bloß alle Game Designer so ehrlich wären.

Nun ist in den letzten Wochen ein neues Beispiel wahrer Programmierkunst ans Licht getreten, jedenfalls, wenn man es von der visuellen Seite betrachtet: Eine Demoversion eines PSP-Homebrew-Titels namens „No Gravity„. Dieser basiert auf einem vom selben Team bereits 1996 veröffentlichten Weltraum-Shooter, der damals für ziemlich unglaubliche Grafikeffekte gesorgt hat. Die hauen heute selbstverständlich niemanden mehr vom Hocker, aber gerade in diesem Punkt wurde die PSP-Fassung enorm aufpoliert. Motion Blur, Bloom, eine umfangreiche Farbpalette, Kamera- und Bildeffekte und noch so viel mehr an Dingen, von denen man gar nicht wusste, dass die kleine PSP so etwas überhaupt darstellen kann. realtechvr – das Team hinter dem Spiel – zeigt kommerziellen Entwicklern (und auch den Homebrew-Kollegen), wo der Optikhammer hängt … und übertreibt damit in seinem eigenen Spiel schon fast.

Das Tolle an „No Gravity“ ist allerdings, dass aus all seinen virtuellen Poren der Charme der Demoscene dringt. Die gesamte Ästhetik wirkt insgesamt eine Spur avantgardistischer als bei anderen Arcade-Weltraum-Shootern, was man allein schon an den Loading-Screens und den Menüs merkt. Das besondere Sahnehäuptchen ist allerdings die elektronische, sehr tanzbare, mit sphärischen Klängen angereicherte Club- und Housemusik, die nicht nur den Effektrausch enorm unterstützt, sondern auch eine willkommene Abwechslung zu der ansonsten im Genre üblichen klassischen Musik darstellt.

Die kostenlose Vollversion von „No Gravity“ soll noch im Laufe diesen Jahres erscheinen, und bis dahin bleibt zu hoffen, dass realtechvr noch einen Multiplayer und eine Story mit interessanteren Missionen implementiert. Also ein bißchen mehr weg vom Democharakter hin zum richtigen Spiel. Wer also den Bund mit dem Teufel eingegangen ist und seine PSP mit einer Custom-Firmware ausgestattet hat, tja, dem bleibt quasi keine Wahl: Ausprobieren! Vielleicht wird es diesem Titel gelingen, etwas mehr Aufmerksamkeit auf das (legale) Schaffen der Homebrew-Szene zu richten.