Computer- und Videospiele lassen sich als hybride mediale Form beschreiben, die Elemente zahlreicher anderer Zeichensysteme in sich aufgenommen hat – von der Architektur über Malerei und Literatur bis hin zum Film. Auf der anderen Seite prägen Ästetik und Logik von Video-Games eine wachsende Zahl anderer Medien. Das merken wir besonders im Kino: Fast scheint es so, als würden Computerspiele und Filme voneinander „lernen“; manche Genres von Videospielen werden immer filmähnlicher, manche Genres von Filmen immer computerspiel-artiger. Was will uns das sagen? Nun, Videospiele werden im Fortschreiten der Zeit und im Laufe der Generationenwechsel immer mehr in die breite Gesellschaft intregiert und als übliche Unterhaltungsform akzeptiert. Interessanterweise scheint dies junge Künstler und Künstlerinnen zu insperieren und so entsteht so langsam aber sicher eine eigene Kunst rund um die Videospiel-Ästhetik. „Schön!“, wird sich da so mancher Videospielfan mit Interesse an Kunst und Kultur denken. Was noch schöner ist: Momentan gibt es in Dortmund sogar eine solche Kunstaustellung!

An dieser Stelle rühre ich mal gaaanz dezent die Werbetrommel:
Vom 11. Oktober bis zum 30. November findet die Austellung „Games – Computerspiele von KünstlerInnen“ im ehemaligen Reserveteillager auf Pheonix West in Dortmund Hörde statt. Dort sind verschiedenste Arbeiten 30 international erfolgreicher Künstler ausgestellt, die zumeist auf populären Videospielen basieren. Deren Werke zeigen vielfältige Strategien der künstlerischen Aneignung bestehender Games. Nebem Modifikationen an Spielen gibt’s noch Videoaufnahmen, Projektionen und Bilder zu bestaunen. Manche Arbeiten sind sogar interaktiv. Wer mehr über die Welt von Videospielen erfahren möchte, kann sich am 21.11. und 22.11. noch so einige Vorträge und Vorführungen reinziehen.
Die Austellung „Games“ soll jedoch nicht die einzige sein, weitere Veranstaltungen auf dem Unterhaltungsgebiet werden folgen und reichen bis Ende 2004. Genauere Informationen zu kommenden Events gibt’s leider noch nicht. Warum eine solch spannende Sache gerade in der Pampa des Ruhrgebiets stattfinden muss, bleibt ein Rätsel. Um Euch die Verwirrung zu nehmen: Genauere Termine hänge ich später an diesem Artikel an

Klingt ja in der Theorie ganz nett. Um mir selbst einen persönlichen Eindruck zu verschaffen habe ich an diesem Wochenende diese Austellung besucht. Mit ein bisschen Kaffee (den man vor Ort inklusive Snack einehmen kann) hab ich meine Aufmerksamkeit nach oben gepushed und hab mich in die Tiefen der Austellungshalle gestürzt. Da kam leider schon die erste Ernüchterung: Die Halle selbst war leider recht klein, jedenfalls im Vergleich zu Austellungen in richtigen Messehallen. Nichtsdestotrotz gab`s da etwa 24 Arbeiten zu sehen und im folgendem möchte ich Euch ein paar ausgewählte Stücke etwas näher bringen:
AUSWAHL EINIGER ARBEITEN:

Das erste, was ich zu Gesicht bekam, war das groß an die Wand prejezierte Video „Shooter“ von Beate Geissler und Oliver Sann. Diese beiden haben im Verlauf von zwei Jahren Zocker von Ego-Shooter auf Lan-Parties gefilmt und dabei deren Mimik in Großaufnahmen dokumentiert. Das klingt banal, ist aber an sich eine schöne Sache gewesen. Denn während auf der Leinwand in Minutenabständen die Aufnahmen von Spielern wechselten, hatte man die Möglichkeit recht eingängig deren Mimik und minimale Bewegungen im Gesicht zu studieren. Die Gesichtsausdrücke und Typen von Zockerlingen waren mannigfaltig: Die einen saßen mit voller Konzentration vor dem Monitor, ohne mit der Wimper zu zucken, während andere immer wieder vor Freude ihren Mundwinkel nach oben zucken ließen. Während man als Hobbyzocker das Geschehen betrachtet, wirft man einen leicht ironischen Blick aus einer ungewohnten Perspektive auf Gleichgesinnte.

Sehr interessant fand ich ebenso einen Raum, an dem an alle vier Wände jeweils unterschiedliche Szenen aus dem Spiel „Tomb Raider“ projeziert wurden. „X and Directional Button UP“ nannte sich die Arbeit von Lars Zumbansen und zeigt Powerfrau Lara Croft nur in einer einzigen Bewegungsfolge: Sie springt an einer Kante runter, hält sich daran fest und zieht sich wieder hoch. Und das macht sie immer wieder, bis dem dem Zuschauer grün und lila vor Augen wird. Spielekenner wissen: Die gute Lara stöhnt und ächzt mit jeder akrobatischen Bewegung. Sehr witzig, wenn man mittendrin steht und von allen vier Seiten kommt ein „Uff!“, „Hmpf!“ oder „Urksa!“. Meine Theorie, worauf die Arbeit aufmerksam machen möchte: Die Routine und Unermüdlichkeit von Bewegungsabläufen von digatlen Protagonisten.

Wenn der Masochist und der Sadomasochist sich treffen, ein glückliches Paar werden und Bock auf Videospiele bekommen, setzen die sich mit Sicherheit an Tillman Reiff`s und Volker Morawe`s „Painstation“. Dieses viel diskutierte Gerät, dass mittlerweile einen ziemlichen Bekanntheitsgrad in der Szene genießt, ist quasi ein „Pong“-Automat mit Schmerzgarantie. Wärend des Spiels wird bei Versagen, also Vorbeirauschen des Balles am digitalen Pad, die Hand des Spielers mit – Achtung krass! – Elektroshocks, Peitschenhieben und Hitzeeinwirkung (!) traktiert. „WO_ot!“, dachte ich mir und habe kurz selbst Hand angelegt. Letzendlich ist meine Pranke immer noch da, wo sie dranhängen sollte, aber mir persönlich ist dieses Gerät doch zu abgefahren. Zumindest wird – und das ist wohl der Sinn – dem Spieler auch während des Spieles schmerzhalft seine körperliche Realität bewusst. Aber hey: Headshots bekommen mit einer weiter ausgebauten „Painstation“ eine völlig neue Dimenson

Ebenfalls hat mich „QQQ“ nicht so besonders angesprochen. Das Software-Werk von Tom Betts ist im eigentlichem Sinne eine Modifikation von „Quake 3“, allerdings eine, die das Original-Spiel so stark verfälscht und abstrahiert, dass man eigenlich nicht mehr als nur ein wirres Farbenspiel erkennen kann … wenn überhaupt. Ich als ehemaliger Bodenwackeler der dritten Generation hab selbst mal meine Figur (die ich selbst nicht erkennen konnte) durch dieses Wirrwar gesteuert und musste Schmunzeln, dass ein normales Botmatch lief. Die Geräusche blieben von dem Künstler unangetastet, so dass man als Experte sofort die Akustik identifizieren konnte. „QQQ“ bleibt als zweifelhafter Kunstversuch in meinen Erinnerungen zurück. Für mich sind es einfach nur bewegliche Flächen und Farbelemnte, die sich ständig im Fluss befinden … oder einfach nur „Quake 3“ bei einer stark überhitzen Grafikarte.

Toll hingegen fand ich dann wieder das Video „Fury“. Die Namen der Macher sind mir an dieser Stelle leider entfallen, sorry . Wie dem auch sei, „Fury“ ist eine Darstellung der Bildästhetik von stylischen Actiongefechten alà „Max Payne“, die letzendlich von dem Film „Matrix“ inspiriert wurden. Zu sehen sind ein paar junge Leute, die offenbar eine Kampfszene nachstellen, ohne sie wirklich zu spielen. Stattdessen bewegt sich die Kamera um die Menschen herum, wärend diese einfach innehalten. Fast so, als hätte jemand in einem Actiongame die Pause-Taste gedrückt, woraufhin die Kamera rotiert. Die Mimik und Rollen der Figuren kann man gut ablesen bzw. erkennen: Da gibt es in der mitten den Helden, der nichts zu verlieren hat, um ihn herum entweder hässlich grinsende oder fies guckende Feide, auf dem Boden jemand, der grad eins auf die Fresse bekommen hat. An irgendeiner Säule kann man noch eine gefesselte Geisel erkennen. Schöne Sache, wie ich finde, fehlte nur noch der Schriftzug „paused“. Dennoch wird deutlich: Ein potentieller Spieler könnte jederzeit wieder in die Rolle des knallhaten Protagonisten schlüpfen und die Handlung fortführen; hat also ein bisschen Kontrolle über die Zeit im Spiel. Währendessen kann er voyeuristisch die Szenerie betrachten.

Zum Schluss dieses kleinen Einblickes möchte ich noch die eher klassiche Arbeit von dem Künstler „Mister Ministeck Norbert Bayer“ erwähnen. Der fertigt, wie bereits im Namen zu erkennen, Mosaiken aus Ministeck an und stellt damit Figuren und Szenen aus frühen Spielen für den C-64 dar. Das geniale: Durch dieses Minsteck-Verfahren sehen die Bilder wie Pixel aus. Da Bilder von unterschiedlichen Ministeck-Größen aufgehangen waren, sah man sich einer Demonstrierung von Verschiedenen Auflösungen gegenüber. Manche Bilder wirkten detaillierte, während andere „verpixelter“ waren. Mal abgesehen davon schlwelgen sicherlicher Freaks in Nostalgie, wenn sie diese leider recht wenigen Abbildungen sehen, wie z.B. von Pac-Man.

PERSÖNLICHES FAZIT:

Dies soll als kleiner Einblick in die Austellung reichen. Wer vielleicht Lust bekommen hat, findet etwas weiter unten Details zu den Öffnungszeiten und Vorträgen. Letzere konnte ich selbstverständlich noch nicht besuchen, aber was noch nicht ist, kann ja noch werden
Mein persönliches abschließendes Statement zu der ganzen Geschichte: Interessant ist es allemal, auch wenn die Austellung selbst leider nicht besonders groß ausgefallen ist und manche Arbeiten für meinen persönlichen Geschmack zu abstrakt sind. Aber Kunst scheidet nunmal die Geister und dient zudem dazu, zum Nachdenken und Nachforschen anzuregen. Manchen Künstlern scheint dies gelungen zu sein und ich bin schon sehr gespannt, was in der Zukunft in dem Bereich noch kommen mag. Vergessen sollte man eins jedoch nicht: Eine solche Austellung wird dem unerfahrenen Teilen des Volkes sicherlich nicht Videospiele näherbringen, dazu sind Dokumentationen in Form eines Filmes sicherlich besser geeignet. Nur leider gibt’s davon noch zu wenige, die gelungen und wahrheitsgetreu sind …

 

DATEN & DETAILS:

Zeitraum: 11. Oktober – 30. November
Wo?: Hochofenstraße / Ecke Rombergstraße, Dortmund-Hörde
Öffnungszeiten: Di – Fr + So: 11 – 20 Uhr, Sa: 14 – 22 Uhr
Eintritt: 2€ (Studenten/Schlüler), 4€ (Erwachsene)

KünstlerInnen:
Julien Alma / Laurent Hart, F
Cory Arcangel, USA
Mister Ministeck Norbert Bayer, D
Tom Betts, GB
Pash Buzari, D
Leon Cmielewski / Josephine Starrs, AUS
Arcangel Constantini, MEX
Vuk Cosic, Slowenien
Aurélien Froment, F
fuchs-eckermann, A
Beate Geissler / Oliver Sann, D
Margarete Jahrmann / Max Moswitzer, A
Jodi, E
Joan Leandre, E
Mongrel, GB
Tilman Reiff / Volker Morawe, D
Anne-Marie Schleiner / Brody Condon, USA
Jan-Peter E.R. Sonntag, D
Space Invader, F
Thomson & Craighead, GB
Olaf Val, D
Yang Zhenzhong, CHI
Lars Zumbansen, D

Noch ausstehende Veranstaltungen:
21. – 22. November 2003
computer / spiel / film
Filme + Vorträge

Samstag, 29. November 2003
> 19 Uhr: Präsentation des Kataloges
> 20 Uhr: Aufführung von „Bowling am Tiber“
F Ü H R U N G E N
Kostenlose Führungen:
Jeden Sonntag, ab 15 Uhr (60 Min)

Führungen nach Vereinbarung:
25 EUR pauschal + 2 EUR/Person (60 Min)

Informationen / Anmeldung unter
T/F: 0231 – 88 20 240
post@hartware-projekte.de
weitere Informationen zur Austellung:
http://netzspannung.org/media-art/exhibitions/games/