Klickeriklick! Brände, Autounfälle und andere alltägliche Katastrophen warten darauf von dir bewältigt zu werden. Bei der Fülle an Anweisungen, die du geben musst, wird deine Maus allerdings arg in Mitleidenschaft gezogen.

Das Echtzeitstrategie-Genre ist eigentlich nichts für Pazifisten. Zumeist geht es lediglich darum Basen aufzubauen und sein Einflussgebiet immer weiter auszubreiten, um den anderen in Grund und Boden zu stampfen. Oder zumindest ein paar Einheiten zu bedienen, um den Gegner zu infiltrieren. Einen völlig anderen Weg schlägt seit ein paar Jahren Sixteen Tons Entertainment mit seiner „Emergency“-Reihe ein und bereichert so erneut ein kleines Nischengenre: Statt Kampfeinheiten bekommt der geneigte Spieler Rettungskräfte in die Hand gedrückt und muss in einem gegenwärtlichen Szenario genau das tun, was andere RTS-ler verursachen: Katastrophen bewältigen und Leben retten.

Klicken bis der Arzt kommt

Schon die erste Mission konfrontiert uns mit einem alltäglichem Szenario: Ein Autofahrer ist aus Unachtsamkeit in eine Baustelle gerast und hat dabei nicht nur sich selbst, sondern auch einen Bauarbeiter in Mitleidenschaft gezogen. Zunächst fordern wir zwei Rettungswagen an, mit dem der Bauarbeiter sofort versorgt werden kann. Allerdings stellen die Sanitäter fest, dass der Fahrer in dem brennenden Wrack eingeklemmt ist und dieses zu allem Übefluss zu explodieren droht. Wir lassen also einen Feuerwehrwagen zur Unfallstelle fahren, merken dann aber auf einmal, dass ständig vorbeifahrende Autos die Rettungskräfte behindern. An dieser Stelle kommt die Polizei ins Spiel, die die Straße absperrt, damit wir in Ruhe Herr der Lage werden können.
Bis die zwei Verletzten versorgt und abtransportiert, das Autowrack gelöscht und abgeschleppt, und letztendlich die Straße wieder freigemacht worden ist, haben wir nicht nur erstaunlich viel Koordinationsarbeit und Kalkulation mit unseren verfügbaren Budget hinter uns gebracht, sondern auch einen neuen Mausklick-Rekord aufgestellt! Jede noch so kleine Aktion muss von uns befohlen, jede Figur einzeln positioniert und jeder Ausrüstungsgegenstand einzeln zugeteilt werden. Das artet bereits in der oben beschriebenen ersten Mission in akribische Kleinarbeit aus und entwickelt sich im Fortlauf immer grösserer und komplizierterer Einsätze zur einer wahren Klickorgie, gerade weil einzelne Polygonobjekte pixelgenau markiert werden müssen. Leider erschwert einem die zombieähnliche KI der kleinen Lebensretter die Kontrolle über die Situation noch zusätzlich, indem sie selbst in den brenzlichsten Situationen tatenlos in der Weltgeschichte rumstehen. Ein Feuermann kommt beispielsweise nicht von selbst darauf etwas Brennendes zu löschen, obwohl er mit einem Feuerlöscher in der Hand direkt daneben steht.

Ein Spieler für alle Fälle

So schwierig sich die Steuerung des Spiels gestaltet, so abwechslungsreich und atmosphärisch sind die 20 unterschiedlichen Missionen ausgefallen: Von einem einfachen Autounfall über einen Lawineneinschlag bis hin zu einem Brand in einer Chemiefrabrik haben sich die Entwickler so einige mannigfaltige Einsatzgebiete einfallen lassen, die jeweils inviduelle Herangehensweisen erfordern und bei der die Vielfalt der Einheitentypen in den Vordergrund gerückt wird. Spannung und die Erfordernis während einer Mission öfter umzudenken werden hauptsächlich durch gescriptete Wendungen im Geschehen hervorgerufen, was die Einsätze auf der einen Seite interessanter und kniffeliger macht, auf der anderen aber den Spieler unfairerweise des öfteren dazu zwingt den Einsatz neuzustarten.
Wer die 20 Levels erfolgreich gemeistert hat, kann entweder dort sein prozentuales Endergebnis verbessern, oder sich in dem Endlosspiel austoben. Dort werden ohne konkretes Szenario in einer grossen, abwechslungsreich gestalteten Stadt zufällige Aufgaben generiert. Die Spielweise differenziert sich hier von dem Kampagnenmodus nur minimal: Anstatt das Einsatzfahrzeuge von Außen eintreffen, startest du hier von einer Basis aus, die über eine limitierte Anzahl von Stellplätzen verfügt. Der Einzatz bzw. Kauf neuer Wagen muss gut koordiniert werden, da das Budget erst nach und nach aufgestockt wird. Da die Kampagnenmissionen teilweise sehr schwierig sind, stellt der Endlosmodus einen gute Alternative dar. Wer selbst davon die Nase voll hat, kann sich immer noch Modifikationen aus dem Internet laden oder sich mit dem Karteneditior beschäftigen.

detailliert, jedoch ohne Detail

Die audiovisuelle Präsenation ist ebenso wie das Spiel selbst ein zweischneidiges Schwert. Die frei dreh- und zoombare 3D-Grafik kann zwar mit einer detaillierten Modellierung und einer überzeugenden Landschaftsgestaltung aufwarten, bietet dem Spieler aber durch das Fehlen signifikanter Effekte kaum Hinweise für ein weiteres erfolgreiches Vorgehen. So fehlen beispielsweise sichtbare Hitzewellen, so dass man nur erahnen kann, wie weit man seine Einheiten an Gefahrenzonen heranführen darf. Beginnende Brände kündigen sich lediglich durch kleine Rauchwölkchen an, die vor dem Hintergrund ebenso grauer Straßen aber leider kaum zu sehen sind.
Ähnlich läuft es mit der schwachbrüstigen Akustik: Sirenengeheul, Feuer, Explosionen oder plätscherndes Löschwasser klingen zwar realistisch, werden aber ebenso sporadisch eingesetzt wie Hilfeschreie oder Gejammer. Die Musikuntermalung dudelt im Hintergrund meist wie Fahrstuhlmusik vor sich hin und unterstützt die Dramatik der gezeigten Situationen in keinster Weise.

Trotzdem: Die Emergency-Reihe hat aufgrund seines Szenarios und der vor allem dem moralisch lobenswerten Ziel des Spiels Aufmerksamkeit verdient. Teil 3 ist ein weiterer Schritt für die Reihe nach vorn, vielleicht wird Teil 4 ja auch so gut, dass die Serie aus ihrer Nische herausspringt. Leben retten statt Soldaten plätten!