Zum zweiten Mal ist Electronic Arts in Amerika auf der Verbraucherplattform „The Consumerist“ zur schlechtesten Firma der Welt gewählt worden. Dies ist ein Beweis für mich, dass für viele Gamer der gesunde Menschenverstand offenbar abhanden gekommen ist. Das Ergebnis spiegelt für mich nicht nur ein verzerrtes Bild des Unternehmens wieder, sondern verstärkt den schlechten Eindruck von Spielen für Außenstehende und ist in Bezug auf die Priorität der Wähler geradezu besorgniserregend.

Damit wir uns richtig verstehen: Selbstverständlich hat EA in den letzten Monaten einige Fehler begangen. Der holprige Start von Sim City war das jüngste Ereignis, über das Micropayment bei Dead Space 3 und Need for Speed kann man sich streiten. Die WiiU-Version von FIFA 13, die im Grunde eigentlich nur FIFA 12 war, ist ebenso ärgerlich gewesen wie die durchwachsene zweite Neuauflage von Medal of Honor. In meinen Augen hat EA aber auch viele gute Spiele produziert und veröffentlicht. Alice: Madness Returns und Shadows of the Damned wären vor so manch anderen Publisher schwierig zu rechtfertigen gewesen; nicht zu vergessen, dass vor einigen Jahren auch Mirror´s Edge, Oddworld: Stranger’s Wrath und das erste Dead Space eine Chance erhalten haben, als die allermeisten Gamer sich noch auf Schlachtfeldern des zweiten Weltkrieges ausgetobt haben. EA ist ein großes Unternehmen, das seine Finger in verschiedenen Bereichen stecken hat. Für sie gibt es todsichere Einnahmequellen, wie die Sportspiele oder Battlefield. Die übrigen Projekte sind Fehlschläge oder Erfolge, die sich für weitere Jahre auszahlen. Wer viel wagt, macht viel falsch. Wäre EA kleiner und würde vielleicht zwei oder drei Spiele im Jahr veröffentlichen, unserer Eindruck wäre ein anderer.

Der Umfang von EA ist für den Außeneindruck selbstverständlich auch ein Problem. Es ist unmöglich sich durch den Markt zu navigieren, ohne über ein Produkt von ihnen zu stolpern. Und da EA nunmal so präsent ist, und über die Jahre hinweg in nahezu allen Bereichen einen kleinen oder großen Fehltritt begangen hat, kann jeder schon einmal von sich behaupten schlechte Erfahrungen mit dem Unternehmen gemacht zu haben. Es ist also einfach einen gemeinsamen Feind zu finden, den man fortan in Artikeln und Kommentarbereichen wie das böse Imperium beschimpfen kann. Nach einer Zeit hat sich dieser Eindruck so festgefahren, dass es auch keinen Unterschied mehr macht, wenn EA tatsächlich gute Dinge tut.

Aber ich möchte den liebsten Buhmann aller ach-so-rechtsschaffenden True Gamer nicht mit aller Kraft an dieser Stelle verteidigen, denn selbst wenn Electronic Arts nur noch ausschließlich schlechte Kriegsspiele veröffentlichen, alle Mircopayment- und Free to play-Regler hochdrehen und am Kundentelefon alle Anrufer beleidigen würde: Nichts, aber auch wirklich nichts davon könnte man auch nur im geringsten gegen Unternehmen wie ExxonMobil, Halliburton oder gar die Bank of America halten. Ich kann nur den Kopf darüber schütteln, wenn ein Unternehmen für Unterhaltungssoftware im Rennen mit 78% aller Stimmen gegen Übeltäter gewinnt, die das Grundwasser verseuchen, Arbeiter massiv unterbezahlen oder der Weltwirtschaft regelrecht in den Arsch ficken! Wir leben in einer Welt, in der Firmen die Wasserversorgung privatisieren möchten, unglaubliches Geld mit der Entwicklung und Verbreitung von Waffen verdienen oder ihren Industriemüll als Süßigkeiten an kleine Kinder verkaufen. Aber dem Konsumenten ist das so lange Recht, wie es schmeckt. Mit einer Hand den Chicken McNugget aus der Massentierhaltung in die Geschmacksverstärker-Sauce dippend mokiert der unzufriedene Gamer bei McDonalds per Smartphone – entstanden in Arbeitsbedingungen, die der Sklavenhaltung gleich kommt – auf „The Consumerist“ über EA, während er Kleidung trägt, die irgendwo am Anus der Welt heimlich von Kinderarbeitern zusammengeflickt worden ist. Den Kaffee von ausgebeutelten Plantagen gibt es als Nachtisch hinterher. Leider geil.

Für die gesamte Spielkultur, so sehr Luxus sie im Anbetracht der genannten Probleme auch sein mag, ist dabei vor allem tragisch, dass das Ergebnis der Umfrage ein Bild auf Spieler wirft, welches ihnen zum Verhängnis werden kann. Lautstark melden sie sich zu Wort und stimmen aus aller Welt ab, machen ihrem Unmut Luft und nehmen kein Blatt vor dem Mund. Abertausende von Kommentaren unter Youtube-Videos und Artikeln belegen dies. Doch was auf einem themenbezogenen Onlineportal noch im Rahmen erscheint, wirft bei einer Umfrage, bei der Unternehmen aus und für alle Lebensbereiche unfreiwillig teilnehmen, unangenehme Fragen auf. Etwa, ob Spieler im Allgemeinen völlig weltfremd sind? Sind ihnen die Obdachlosigkeit, die zerstörten Leben, die durch die Handlungen der Bank of America entstanden sind, wesentlich weniger wichtig als der misslungene Start von Sim City? Sind Spiele so sehr Teil ihres Lebens und ihrer Wahrnehmung geworden, dass sie den Blick auf das Wesentliche verloren haben? Würde ich von Spielen keine Ahnung haben, es wäre der Eindruck, den ich gewinnen würde. Ich glaube nicht, dass dies im Sinne aller Beteiligten war.