PS2-Veteranen denken oft mit gemischten Gefühlen an ihre geliebten Klassiker zurück. Damals war die Fernsehwelt noch in zwei große Lager aufgeteilt. Japan und Amerika schauten in NTSC, was wir Europäer abfällig als „Never The Same Color“ aufschlüsselten. Heimvideorekorder spielten keine Kassetten aus Übersee ab und auch unsere Konsolen hatten so ihre Probleme. Spielefutter musste für unser PAL-Format angepasst werden. Dabei konnte sich ein Publisher mehr oder weniger Mühe geben. Das Rollenspielflagschiff Final Fantasy X war eine dieser besonders lieblosen Anpassungen. Die Squares waren aufgrund vertikaler Stauchung eher Rectangles, der Spielablauf war verlangsamt, da fiel kaum mehr ins Gewicht, dass die deutschen Untertitel nicht zum englischen Voice Acting passten, da sie bereits vorher von einer japanischen Vorlage übersetzt wurden.

Auch an HD-Editionen denken PS2-Veteranen mit gemischten Gefühlen. Machen Square-Enix mit ihrem aufpolierten Doppelpack aus Final Fantasy X und Sequel X-2 die technischen Fehler der Vergangenheit gut? Und überhaupt – wie schlägt sich ein zehn Jahre altes Final Fantasy im Vergleich mit aktuellen Japano-RPGs?

Menschenliebe wird überbewertet
Der Protagonist von Final Fantasy X hat ein verdammt schweres Leben. In der High-Tech-Metropole Zanarkand ist er der angesagte Star der futuristischen Wasserpolo-Variante Blitzball. Schon zum Beginn des Spiels poset Tidus vor Fans herum, gibt Autogramme und kann die Nullen auf seinem Gilkonto wahrscheinlich schon nicht mehr zählen. Zu seinem Glück wird Zanarkand von der schwimmenden Naturkatastrophe Sin angegriffen, sonst hätte Tidus ja keine Ausrede sich die nächsten 50 Spielstunden als der weinerliche, selbstverliebte Sandsack aufzuführen, der er nunmal ist. In den Wirren des Kataklysmus landet unser Held 1000 Jahre in der Zukunft auf dem Kontinent Spira, dessen Bewohner immer noch einen ewigen Überlebenskampf mit Sin führen. Immerhin wird das Sympathieloch auf zwei Beinen schon nach wenigen Spielstunden von den restlichen Mitstreitern der Gruppe ausgeglichen. Besonders heraus stechen der mysteriöse Schwertkämpfer Auron, der ein enger Vertrauter von Tidus verschollenem Vater Jekkt war, zum anderen die Nachwuchs-Beschwörerin Yuna, die von dem Wunsch angetrieben wird, ihrer Heimat den lange ersehnten Frieden zu bringen. Ihre Reise durch Spira macht sie zur eigentlichen Heldin dieser Geschichte. Denn die Konfrontation mit Sin ist ihr bereits vorherbestimmt, ebenso wie das Opfer, dass sie für den ewigen Frieden wird bringen müssen.
FFX_Tidus

Ein freundlicher Gruß in die Runde …
FFX_Yuna
So wie man es von JRPGs gewohnt ist, läuft die Truppe in Third-Person-Ansicht durch relativ lineare dreidimensionale Spielabschnitte. Gegner bleiben dabei bis zum Beginn des Kampfes unsichtbar, wenn es zum Kampf kommt schaltet das Spiel auf einen eigenen Bildschirm um, in dem der Konflikt ausgetragen wird. Für FF-X haben die Designer den klar rundenbasierten Conditional Turn-based Battle (CTB) entworfen. Drei Mitglieder der Gruppe stehen an vorderster Front und können per Knopfdruck gegen die Ersatzkämpfer von der Bank ausgetauscht werden. Anhand einer Leiste an der Seite kann die nächsten Züge sehen und sein Vorgehen somit strategisch planen, was besonders bei den mächtigen Bossgegnern wichtig ist. Im Laufe der Story erlangt Yuna die Möglichkeit, verschiedene Bestias zu beschwören, welche dann anstelle der restlichen Gruppe den Gegner einheizen, bis ihre Lebensenergie verbraucht ist. Wenn Helden und Bestias Angriffe einstecken, füllt sich außerdem noch ihr Ekstase-Balken. Wer ordentlich Prügel bezieht, kann sich also irgendwann mit einem verheerenden Spezialangriff bei den Angreifern bedanken. Das ganze macht ordentlich Spaß, das muss es aber auch, denn gekämpft wird sehr, sehr häufig. Manchmal kommt man keine drei Schritte voran, bis wieder der Bildschirm zersplittert und eine weitere Runde CTB zu absolvieren ist. Besonders die episch inszenierten Beschwörungen werden dabei irgendwann zur Qual. Auch die leckerste Torte ruft nach dem tausendsten Stück eine gewisse Übelkeit hervor.
Spätestens seid der wunderschönen Tanz-Szene aus Final Fantasy 8 haben die Autoren erkannt, dass Liebesszenen einen festen Platz in ihren Spielen bekommen sollten. Auch X hat eine zwischen Yuna und Tidus erhalten, die mit einem Song der Sängerin Rikki Nakano namens "Suteki Da Ne" unterlegt wurde. Das mag aus der Distanz alles furchtbar kitschig anmuten, doch wer viel Zeit in das Spiel und ihre Charaktere investiert hat, erlebt diese romantischen Szenen anders als außenstehende Personen. Da können die Tränchen durchaus mal kullern, sofern man den aufgeblasenen Tidus verkraftet hat.

Spätestens seid der wunderschönen Ball-Szene aus Final Fantasy 8 haben die Autoren erkannt, dass Liebesszenen einen festen Platz in ihren Spielen bekommen sollten. Auch X hat eine zwischen Yuna und Tidus erhalten, die mit einem Song der Sängerin Rikki Nakano namens „Suteki Da Ne“ unterlegt wurde. Das mag aus der Distanz alles furchtbar kitschig anmuten, doch wer viel Zeit in das Spiel und ihre Charaktere investiert hat, erlebt diese romantischen Szenen anders als außenstehende Personen. Da können die Tränchen durchaus mal kullern, sofern man den aufgeblasenen Tidus verkraftet hat.

Langsames Bohren von harten Brettern

Innovativ gelöst wurde die Charakterentwicklung. Statt Erfahrungspunkte und Stufenaufstieg findet dieses Kapitel in Zügen auf einem sogenannten Sphärobrett statt. In Kämpfen verdiente Ability-Points lassen sich dort gegen verbesserte Werte oder neue Fähigkeiten eintauschen, sofern man die passenden Sphäroiden aufgesammelt hat. Besonders attraktive Fähigkeiten sind durch seltene Sphäroiden gesperrt, die taktisch klug verwendet werden wollen. Für den zweiten oder dritten Lauf durch FF-X kann man auch mit dem Profi-Brett spielen, was mehr Freiheiten bei der Entwicklung bietet, es aber im Gegenzug auch extraleicht macht, sich ordentlich zu verskillen.

Frischer Verband über alte Narben

Wenn man einen Veteranen von der Story des PS2-Debuts sprechen lässt, gerät dieser sicher ins Schwärmen über all die eleganten Gleichnisse und Grautöne, sowie den starken Einfluss des japanischen Shintoismus, der eine erfrischende Abwechslung zu den eher westlich-christlich geprägten Götter- und Dämonengeschichten in das Geschehen bringt. Spielt man den Titel nochmals neu, fällt schon auf, wo man mal ein Auge zudrücken muss. Gönnen wir den Charakteren mal ihre 5 Minuten Totalausfall, die sind die Schmiere in den großen Zahnrädern des Universums.

Die für die damalige Zeit bombastische Präsentation ist respektabel gealtert. Den wichtigsten Charakteren wurde ein Facelifting verpasst, so dass sie ein wenig mehr wie ihre Modelle aus den Rendersequenzen aussehen. Das wirkt ein wenig befremdlich, wenn ein Protagonist mit einem der unbearbeiteten „Quetschgesichtern“ spricht. Damals wie heute ebenfalls befremdlich ist das Minispiel Blitzball, welches einen mit seiner komplexen Steuerung und verwirrender Kamera erstmal erschlägt. Die notorischen glücklosen Besaid Aurochs zum Sieg zu führen ist eine Herausforderung, zu der ich mich nie werde durchringen könne. Was erwartet das Spiel auch, wenn ich das Zwangsmatch, dass ich im Spielverlauf absolvieren muss, mit hoher Wahrscheinlichkeit erstmal grandios in den Sand setzen muss? Da begebe ich mich lieber auf die traditionelle Monsterjagd und komplettiere so mein Kreaturen-Stickeralbum. Das tödlichste Minispiel von allen ist allerdings die Halle der Prüfungen, eine Ansammlung von monotonen Verschieberätseln in den Tempel von Yevon, die man leider nicht überspringen kann. Wenn es nicht schon schwierig genug ist, den Weg durch die Tempel zu den Bestias zu finden, ist auch noch in jedem Tempel besondere Ausrüstung versteckt. Eine echte Prüfung der Nerven.
FFX_Rikku2

Bei all den technischen Verbesserungen leiden leider auch neue Spieler nach wie vor unter Untertiteln, die nicht zum gesprochenen Text passen. Der geringste Aufwand wäre sicher gewesen, die Untertitel auf Basis der englischen Sprache neu zu übersetzen, ganz unabhängig von der Frage, welche Sprachfassung „richtiger“ ist. So bleibt nur mit diesem Bruch zu leben oder die Konsole auf englische Sprache umzustellen – die Untertitelsprache ändert sich dabei entsprechend mit.

Die hochdefinitive Edition eines Klassikers
FFX_Paine2
Wer von Euch bereits zu PS2-Zeiten Fan von Final Fantasy X war, hat es schon gemerkt, hier kann man bedenkenlos zur HD-Doppeledition greifen. Square Enix hat sich eine Menge Mühe gegeben, Eure alten Lieblinge so aufzubereiten, dass sie aktuellen Sehgewohnheiten standhalten. Selbst die vorgerenderten Zwischensequenzen wurden sauber auf die neue Auflösung gebracht, nur selten verirrt sich mal für wenige Sekunden eine alte Einstellung ins Bild. Dann kann man aber gut sehen, wozu HD-Editionen gut sind. Interlacekanten und heftige Kompressionsartefakte möchte heutzutage keiner mehr sehen.
Trotzdem bleibt FF-X ein Spiel für Genrefans – ohne diese besondere Art von Geduld und Freude an der Kampfmechanik selbst, die JRPG-Fans auszeichnet, wird der Blick über den Tellerrand schnell wieder vorbei sein.
Und Final Fantasy X-2 … meine Freundin sagt gerade, dass Final Fantasy X kein Sequel hatte. Matrix auch nicht. Vor allem nicht Highlander. Jetzt steckt sie sich die Finger in die Ohren und fängt an laut zu singen. Das klären wir besser in einem neuen Artikel.
Final Fantasy X - HD
Der aufpolierte Rollenspiel-Blockbuster der vierten Generation ist ein Pflichtkauf für Genrefans zum fairen Preis. Mit seinen klassischen Spielmechaniken und Storyklischees ist FF-X allerdings nicht der Titel, der den Einstieg in die Welt der JRPGs sonderlich leicht macht.
7Gesamtwertung