Der Kampf mit dem Schwert hat eine besondere Stellung in Videospielen. Schon lange bevor diese überhaupt erfunden wurden, übte der Umgang und das Duell mit diesen Tötungswerkzeugen einen besonderen Reiz auf Menschen aus. Ein Schwert zu Tragen ist eine Ehre, durch eines getötet zu werden ironischerweise auch. Und der geschickte Umgang gilt als besondere Kunst, die auch einen ästhetischen Aspekt mit einschließt. Es ist daher kein Wunder, dass Kämpfe mit Schwertern und anderen Hiebwaffen sich hoher Beliebtheit in Spielen erfreuen. Wo sonst könnte man aus einer sicheren Distanz, ohne das eigene Leben oder das anderer zu gefährden, sich der Faszination bitterer, direkter Auseinandersetzungen hingeben, wenn nicht in Videospielen? Und was diesen Punkt betrifft, werden so gut wie alle Geschmäcker – vom Ninja über den Kreuzritter bis hin zum Wüstenräuber – ausreichend bedient.
Durch aufwendige Fantasy-Produktionen wie der Herr der Ringe-Verfilmungen von Peter Jackson ist in dem geneigten Gamer zunehmend der Wunsch gewachsen nicht nur einzelne Individuen zu bekämpfen, sondern sich auch kopfüber in eine Massenschlacht stürzen zu dürfen. Dieses Klientel wird seit einiger Zeit von Reihen wie „Dynasty Warriors“ bedient und die fortschreitende Technik ermöglicht immer größere, gewaltigere Schlachten. Der jüngste Spross aus dieser Subkategorie des Hack`n Slash ist „Ninety Nine Nights 2“; ein Sequel, dessen Vorgänger überraschenderweise von Tetsuya Mizuguchi produziert wurde. Der gute Mann ist eigentlich eher bekannt geworden durch „Rez“ oder „Space Channel 5“.

einer gegen alle

Die Produktionsleitung hat diesmal allerdings Tak Fujii übernommen, und er hat auf der diesjährigen E3-Pressekonferenz von Konami das passende Wort für sein Spiel gefunden: „Extreeeeeme!“. Das trifft den Nagel auf den Kopf, denn samt und sonders ist das Spiel bezüglich der Anzahl gleichzeitig auftauchender Gegner sehr ausufernd. Eine dreistellige Zahl gleichzeitig angreifender Monster stellt hier eine gewöhnliche Situation dar und es ist ebenso nicht ganz unüblich mit einem Hieb gleich genauso viele zu treffen. Und da sind wir auch schon bei dem wesentlichem Hauptreiz von „Ninety-Nine Nights 2“: Als Ein-Mann-Armee gegen Millionen von Gegnerscharen hinwegzufegen entwickelt bereits in den ersten Sekunden einen infantilen Reiz, dem man sich auch als abgeklärter Freund wuchtiger Actionspiele zunächst kaum entziehen kann. Die in der Einleitung erwähnten Duelle tauchen hier freilich nur bei den Endgegnern auf, die allerdings durch ihre Größe – meist irgendwo im Rahmen eines gesamten Häuserblocks – recht schnell den Ehrgeiz entwickeln lassen, sie unbedingt besiegen zu wollen. Was einem da an Attacken um die Ohren fliegt, ist teilweise schon immens, doch kommt man zu Fall, lässt einen der noch-nen-Versuch-mache-ich-noch-Effekt den Endkampf noch einmal wiederholen.

Die gigantische Gegnerschar ist beeindruckend in Szene gesetzt. Egal wie viele Objekte sich gleichzeitig auf dem Schirm befinden, die Framerate bleibt immer konstant. Dass die immer gleichen Charaktermodelle für die Gegner verwendet werden, stört angesichts der Masse eigentlich kaum. Ärgerlicher ist da schon, dass nicht alle Gegnertypen auch wirklich eine angriffsstarke Opposition darstellen. Die Standart-Soldaten etwa erwecken den Eindruck von einen Ameisenhaufen, die unsere Spielfigur zwar eifrig umzingeln, aber nur zaghaft ab und zu mit ihrem Schwert zuschlagen. Nach einer Zeit merkt man, dass man sogar einfach durch die Gegnermassen durchgehen kann, ohne überhaupt aufgehalten zu werden. Der einzige Grund die Armeen zu zerschmettern ist es durch sie gehörig an Erfahrungspunkten zu gewinnen, die man zwischen den Missionen gegen neue Fähigkeiten und Charakterverbesserungen eintauschen kann. Dabei geht es meist um herrlich übertriebene Magie-Attacken, etwa Schockwellen, die mit einem Schlag alle Monster um einen herum wegschleudern. Oder Feuerbälle, mit denen alles in Flammen aufgeht, was damit in Berührung kommt. Durch Erfahrungspunkte ein immer mächtigerer Kämpfer zu werden, das motiviert durchaus. Zum Glück gibt es auch Gegner, bei denen man diese Fähigkeiten auch tatsächlich braucht. Es bedarf beispielsweise viel Ausdauer und Kraft einen Riesen von den Füßen zu hauen. Wenn dann gleich fünf auf einmal von denen angreifen, kommt man schon ins Schwitzen.
Obwohl das grundlegende Prinzip und die Combo-Attacken relativ einfach gehalten sind, gibt es bei bestimmten Gegnerkonstellationen durchaus kleinere Anflüge von Taktik. Befinden sich etwa Magier auf dem Schlachtfeld, ist es ratsam erst diese zu töten, da sie einen nicht nur mit Zaubersprüchen aus der Ferne angreifen können, sondern allein schon ihre Gegenwart umliegende Gegnertruppen automatisch stärker macht. Bei den Soldatentruppen ist das nicht umbedingt ein Problem, bei Gegnern, die aus der Luft angreifen oder größeren Monstern wird es allerdings schon brenzlig. Neben den Magiern gibt es auch Türme mit ähnlicher Wirkung, die auch als Respawn-Punkt für Gegner fungieren können. Erst diese anzugreifen, bevor man sich der Monster annimmt, ist in diesem Fall ratsam.

Schnörkellos. Leider.

Lässt der Reiz des Massenschlachtens nach einer Zeit nach, werden leider die ärgerlichen Mängel des Spiels deutlich. Ganz oben steht da die viel zu sehr in die Länge gezogenen Missionen. Nimmt man sich wirklich vor die dunkle Armee komplett zu beseitigen, kann man durchaus bis zu zwei Stunden mit einer Mission beschäftigt sein. Das wäre per se nicht schlecht, wenn nur das Leveldesign generell nicht all zuviel zu bieten hätte. Es gibt ein paar Gänge, Räume und Schluchten hier und da, ansonsten sind die weitläufigen Areale wirklich nur Schlachtfelder ohne besondere Entdeckungsmöglichkeiten. Das spiegelt sich auch in den Missionen wieder, die prinzipiell nur daraus bestehen bestimmte Punkte auf der Karte zu erreichen. Da hilft es auch nicht, dass das „A nach B“-Prinzip in der Beschreibung mit einer Pseudo-Handlung beschmückt wird. „Rette die Truppen am Punkt X“ heisst nichts anders als: „Laufe bis zum Punkt X und töte alles auf dem Weg“.
Ebenso wiegt schwer, dass die Checkpoint zu rar gesät sind. Irgendwo in der Mitte eines Levels wird einer gesetzt, doch wenn man nach einer halben Stunde Dauermetzeln dann doch den Löffel abgibt, vergeht einem angesichts der Monotonie des Gameplays schon recht schnell die Lust wieder vom neuem zu beginnen. In dem Moment wünscht man sich, dass man im Multiplayer-Modus zu zweit im Coop ins Gefecht ziehen könnte, doch dieser ist nur auf eigenen Karten spielbar. Immerhin kann man die Erfahrungspunkte aus dem Multiplayer auch mit in den Singleplayer übernehmen.

Die Geschichte rückt gemessen an einem Massenschlachter erwartungsgemäß in den Hintergrund und bietet daher leider auch keinen großen Anreiz zum Weiterspielen. Die Kernhandlung rund um die böse Armee, die über alle Lande herzieht und in die Dunkelheit reisst, darf man als obligatorisch bezeichnen. Auch die Charaktere fügen sich in dieses Muster ein. Schön und überraschend ist aber, dass die Hintergrundgeschichten und in diesem Zusammenhang die Motivationen der spielbaren Figuren näher beleuchtet werden. Das bewegt sich zwar alles im Rahmen und auf dem Niveau von einer seichten Fantasy-Geschichte, doch da man das Spiel mit verschiedenen Charakteren und daher auch aus verschiedenen Perspektiven erleben darf, macht es durchaus Spaß sich die gesamte Geschichte aus den Puzzleteilen zusammenzureimen. In diesem Zusammenhang fällt auch das Dark Fantasy-Art Design positiv auf, welches einem düsterem Anime oder sogar einem Heavy-Metal-Plattencover entsprungen sein könnte. Ein blutrot eingefärbter Himmel, Schlösser die von einem vertrocknetem Wald umgeben sind, von glühender Asche umwehte Schlachtfelder oder mit vielen Verzierungen versehene Rüstungen und Waffen. Von der künstlerischen Seite hat „Ninety Nine Nights 2“ trotz Anlehnung an bekannte Designs durchaus eigenständigen Charakter und einen deutlich düsteren Ton als sein Vorgänger oder seine Genrekollegen. Leider hält die Musik da nicht mit: Sie ist das vielleicht generischste am gesamten Spiel und ist maßgeblich mitverantwortlich für das nach einer Zeit eintretende Gefühl der Monotonie. Gut, dass man die ausschalten kann.

„Ninety Nine Nights 2“ ist also nur für ein bestimmtes Publikum geeignet, aber dem wird es sehr gefallen. Für die, die gerne in virtuellen Welten gegen Hunderte gleichzeitig kämpfen wollen und auch Titel spielen, die man ab und zu in die Konsole einlegt. In kleinen Raten lässt sich dieser Massenschlachter am besten konsumieren; beispielsweise für eine Stunde nach Feierabend, um die Gedanken schweifen zu lassen. Oder dem Ärger Luft.