Kleine Flugzeuge schwirren wie ein Schwarm Vögel durch die Luft, um sie herum Geschosse von Flak-Geschützen, die auf bedrohlich großen Schiffen und noch bedrohlicher wirkenden, gigantischen Fluggeräten montiert sind. Ich bin dieser kleine Kampfpilot irgendwo inmitten diesem Chaos. Im Sturzflug rase ich kleineren Booten auf der Meeresoberfläche entgegen und schieße aus allen Rohren, bis sie endlich in Flammen aufgehen und ich durch die Explosion hindurch für einen Augenblick in das Meer hinab tauche, das Wasser beim Einschlag aufpeitschend, nur um wie Phoenix aus der Asche wieder empor zu steigen und weiter in das Schlachtengetümmel zu feuern. Ständig geht irgendetwas in die Luft und löst sich in einer eindrucksvollen Rauchwolke auf. Wie gierige Wespen umkreisen mich die Gegner, versuchen mich aus allen Himmelsrichtungen anzugreifen, ohne ihr eigenes Leben zu beachten. Und dann kommt plötzlich ein größerer Kampfjäger aus einer Ecke des Schirms geschossen, rammt mich, ehe ich reagieren kann, und das Spiel ist vorbei.

Nazi-Pulp

Luftrausers ist ein visuelles Spektakel in einer eindrucksvollen sepiafarbenen Retro-Optik, die auf mich in den ersten Minuten sehr hypnotisch und faszinierend gewirkt hat. Sämtliche Fahrzeuge werden zu einer Silhouette reduziert, wogegen Geschosse im Kontrast gleißend hell erscheinen. Bei genauerem Hinsehen hat mich das technokratisch orientierte Art Design aber ein wenig an die Ästhetik von Riefenstahl-Filmen erinnert. Von der Hand zu weisen sind die verwendeten Symbolen nicht, weshalb Vambleer eine offizielle Stellungnahme veröffentlichen musste, um zu versichern, dass man nicht die Absicht hatte den Spieler in die Rolle eines Nazi schlüpfen zu lassen. Das Art Design gibt dem Spiel zwar unmittelbar eine eigene Identität. Der fade Beigeschmack lässt sich aber trotzdem nie richtig abschütteln. Diskussionen darüber fallen aber schwer, da Luftrausers seine eigene visuelle Aufmachung nicht ernst nimmt. Sie bleibt völlig an der Oberfläche, ist ein Mittel zum Zweck, der vermutlich ohne Hintergedanken eingesetzt wurde. Die Reaktion von Vambleer mutet daher etwas naiv an. Haben sie geglaubt, Spieler aus aller Welt würden keine Fragen stellen?

Wie dem auch sei: Der simple Look lenkt die Konzentration auf das Wesentliche: Das einfache Arcade-Gameplay selbst. Mit einem experimentellen Kampfflieger saust man über einen unendlichen Ozean und kann sich bis zur Wolkendecke frei über das Areal bewegen, während mannigfaltige Feinde in verschiedenen Größenordnungen zu Wasser und zu Luft darauf angelegt sind unserer Existenz ein schnelles Ende zu bereiten. Luftrausers mischt Dual-Stick-Shooter wie Robotron mit Danmaku, fügt den Fluch der Erdanziehungskraft hinzu und gibt dem Spieler ein einziges Ziel: Den Combo-Zähler und somit die Punktzahlen in die Höhe zu treiben. Der Multiplikator bleibt so lange erhalten, wie man die Fire-Taste gedrückt hält. Lässt man diese los, wird der Zähler zwar zurückgesetzt, doch das eigene Flutzeug heilt sich. Daraus entsteht der ständige Zwist und Druck zwischen noch mehr Punkten und Sicherheit abzuwägen. Ein guter Einfall.

der Klang des Krieges

Durch die Erfüllung von kleinen Aufgaben, sowie das Erreichen von bestimmten Punkteständen wird nicht nur das Gegneraufkommen aggressiver, sondern es schalten sich im Hangar weitere Waffen und Antriebsarten frei, die den eigenen Luftrauser modifizieren und die Spielweise entscheidend beeinflussen. So wird der Kombinations- und Experimentierfreudigkeit freien Lauf gelassen, obgleich längst nicht alle Fähigkeiten sinnvoll für das Spiel sind. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass über die Hälfte der neuen Fähigkeiten reine Makulatur sind.

Großartig ist der Einsatz von Musik. Luftrausers hat ein bestimmtes, durchgängiges Thema. Ein elektronischer, pulsierender Marsch, der gerade über Kopfhörer das Geschehen entscheidend vorantreibt. Der besondere Kniff dabei sind die kleinen Modifikationen in dem Stück, die durch den Austausch von den Fähigkeiten im Hangar entstehen: Mit jeder neuen Eigenschaft wird eine Spur, ein Instrument, ein Element in dem Soundtrack verändert. So erhält der eigene Lieblings-Rauser auch seine eigene Begleitmusik; während der Variantenreichtum selbiger ziemlich beeindruckend ist und jederzeit spannend klingt. Aber das ist auch bitter nötig.

Blindflug

So schön die Ideen des Spiels sind und so beeindruckend der Soundtrack ist: Alles fällt auf wenig fruchtbaren Boden, weil zwei Aspekte essentiell falsch an Luftrausers laufen: Übersicht und Variantenreichtum im Gameplay.
Twinstick-Shooter entscheiden sich nicht umsonst dazu, das Geschehen auf einen zentralen, übersichtlichen Bildausschnitt zu konzentrieren und darüber hinaus nur dezent das Spielfeld zu erweitern. Es können aberhunderte von Objekten auf mich zufliegen: Alles bleibt kontrollierbar und fair, solange ich sehen kann, was und auf welche Weise auf mich zukommt. Luftrausers nimmt einem allerdings jegliche Chance rechtzeitig auf die Feinde zu reagieren. Schuld daran ist die Kombination aus zu geringem Bildausschnitt, magnetisch wirkender Feindbewegungen, der Trägheit des eigenen Flugzeugs und zu hoher Geschwindigkeit der Geschosse. Ständig in Bewegung zu bleiben ist selbstverständlich essentiell, doch ich kann meine Flugmanöver nicht koordinieren, da ich viel zu spät Informationen über meine Umgebung erhalte. Das gilt vor allem für das Zielen. Planlos halte ich die Feuer-Taste gedrückt, in der Hoffnung irgendetwas zu treffen. In den frühen Leveln gelingt es mir noch Flugzeuge zu umkreisen, um ihnen dann quasi in den Rücken zu schießen, oder mich fallen zu lassen, um rücklings auf Feinde zu feuern. Doch keine dieser Spielweisen geht nach einer Zeit mehr auf, wenn zunehmend aus dem gefühlten Nichts aus allen Richtungen Geschosse erscheinen, deren Quellen ich oft nicht erkennen kann. Rammende Flugobjekte rasen zudem ohne die geringste Vorwarnung auf mich zu.
So luftrause ich also durch den Himmel und navigiere orientierungslos in Lücken, die sich zufällig vor meiner Nase ergeben. Abschüsse sind in den höheren Leveln gefühlt dem Zufall überlassen, auch wenn die Steuerung ganz hervorragend funktioniert. Da hilft es auch nicht, dass das Spiel mir laufend weismachen möchte, dass Progression und Erfolge stattfinden: Fortschrittsbalken und Punkteanzeigen täuschen Spaß vor, aber den habe ich nicht, weil ich nie das Gefühl gewinne die Regeln des Spiels durchschauen zu können, um daran zu wachsen.

Dummerweise ist darüber hinaus nach maximal einer halben Stunde der Reiz an dem Konzept von Luftrausers verloren gegangen. Das neue Equipment im Hangar und die Mannigfaltigkeit der Musik hält zumindest mein Interesse nicht aufrecht, wenn ich schon nach wenigen Minuten den gleichen und immergleichen, zufallsgenerierten Blödsinn bewältigen muss. Spiele wie Geometry Wars stellen dem Spieler vor einfach zu begreifende, aber schwierige Voraussetzungen, mit denen er jedoch lernen kann umzugehen. Luftrausers ist dazu viel zu willkürlich.

Luftrausers
Luftrausers bietet viele schöne Kernideen und eine fantastischen Soundtrack. Aber was hilft das, wenn die Highscore-Jagd von Willkür und mangelnder Übersicht beherrscht wird?

4Gesamtwertung