Ja, ich kann nicht nur Triple A ;)  Zwar von Ubisoft, doch mit weitaus weniger Budget ausgestattet, schickt sich Valiant Hearts – The Great War an, uns die Schrecken des Ersten Weltkriegs näherzubringen. Dieser Krieg wurde bisher eher stiefmütterlich in den Unterhaltungsmedien (boah, das klingt verkehrt) behandelt. Ab und an gibt es mal ein Spiel oder einen Film, worin die Epoche von 1914 – 1918 thematisiert wird. War Horse von Steven Spielberg kommt mir da in den Sinn, oder diese kurze Sequenz in Twelve Monkeys. Neben Im Westen nichts Neues natürlich. Spiele fallen mir da sogar noch weniger ein. In (der deutschen Version von) The Darkness kämpft man sich durch einen Abschnitt, welcher eine dämonifizierte Fratze vom Ersten Weltkrieg zeichnet. Es gab zwar noch eine Handvoll Strategietitel (z.B. History Line), die meisten aber fielen durchs Raster. Wieso ein solches Ereignis, welches die Welt erschütterte, eine Randerscheinung in den Medien darstellt? Ich nehme an, der Krieg ist schwieriger zu erklären, vor allem aufgrund der ganzen Bündnissysteme. Ebenso fehlt ein klares Feindbild für die heutige Gesellschaft. Im Vergleich dazu der Zweite Weltkrieg: Dort hatte man auf der einen Seite (vereinfacht gesagt) Hitler und die Nazis, die halb Europa unterjochten, und auf der anderen Seite die Westmächte. Das versteht jeder, könnte man es auch als ewigen Kampf zwischen Gut und Böse bezeichnen.

Personifizierung des Krieges
Umso interessierter war ich, als ich zum ersten Mal von Valiant Hearts hörte. Ein Spiel im WK1, welches sich im Puzzle/Adventure Genre bewegt, auf der, durch Rayman bekannt gewordenen UbiArt-Engine läuft und konterkarierend zum Comicstil den Schrecken des Krieges darstellen will? Ich wusste ziemlich schnell, dass ich das mal sehen und spielen möchte. Valiant Hearts erzählt seine Geschichte aus der Perspektive von gleich 4 Charakteren: Emile, ein französischer, gutmütiger, Bauer und (Schwieger-)Vater, welcher eingezogen wird. Karl, ein junger Deutscher, der in Frankreich sein Glück in der Gestalt von Marie (Tochter von Emile) gefunden und ein Kind mit ihr hat. Auch er wird zum Kriegsdienst gerufen. Anna, eine belgische Tierärztin, die sich dazu berufen fühlt, allen Verwundeten zu helfen, egal welche Farbe die Uniform hat und schließlich noch Freddie, ein Amerikaner. Er befand sich mit seiner Frau auf einer Hochzeitsreise in Paris, als die deutschen Bomben fielen und sie dadurch starb. Er sinnt seitdem auf Rache. Begleitet werden die Figuren abwechselnd vom Dobermann Walt, seines Zeichens Rettungshund und der wahrlich beste Freund der Protagonisten. Alle Wege werden sich im Laufe des Spiels kreuzen. Alle Figuren werden sich am Ende komplett verändert haben.

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Die Wege der Charaktere werden sich kreuzen. Und am Ende werden sie sich komplett verändert haben.


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Art Director Paul Tumelaire hat dafür gesorgt, dass im unschuldigen francobelgischen Comicstil genug Freiraum für die eigene Fantasie bleibt. Durch die abstrahierte Darstellungsweise investiert der Spieler im optimalem Fall mehr in die Figuren, als es bei einem realistisch gehaltenem Art Design der Fall gewesen wäre.

Es war einmal … der Krieg

Die Stärke von Valiant Hearts liegt darin, dem Spieler eine dunkle Epoche der Menschheit spielend nahe zu bringen. Die kindliche Optik erinnert an die Naivität, wie sie damals bei Risiko: Erster Weltkrieg angegangen wurde. Die Bilder der Leichenberge wirken dadurch nur noch surrealer, noch Luft abschnürender. Ein wenig kenne ich mich schon mit dem Thema aus, weswegen ich vorher schon ein paar Orte und Ereignisse kannte, wie z.B. Verdun oder die Nutzung von Chlorgas im Grabenkampf. Valiant Hearts erzählt auch davon und es wirkt alles andere als ein dröger Geschichtsunterricht. Es werden immer wieder Fakten eingestreut zum jeweiligen Spielabschnitt, die man sich dann durchlesen kann, um noch mehr Hintergründe zu erfahren. Selbst die Collectables erzählen hier Geschichten und lassen alles plastischer erscheinen. Beim Spielen musste ich das ein oder andere Mal an die alte Fernsehserie Es war einmal das Leben denken. Diese schaffte es auch, eigentlich komplexe Themen kindgerecht in Zeichentrickform zu beschreiben. Ähnlich schafft es auch Valiant Hearts, ein wirklich heftiges Thema jetzt zwar nicht unbedingt kindgerecht, aber auch für Leute, die davon nicht viel Ahnung haben, darzustellen.

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Das Gameplay ist schnell beschrieben: Man läuft (meistens) von links nach rechts und löst an manchen Stellen Rätsel. Und auch wenn ich gleich bei der ersten Aufgabe derbe auf dem Schlauch stand (Ja. Das Erste. Im Bahnhof. Hmpf.) kann ich sagen, dass die Einlagen wirklich sehr einfach sind und man nur selten aus dem Spielfluss rauskommt. Ab und an wird auch noch geschlichen. Aufgelockert werden die ´n Run (ne Jumpfunktion gibt es nicht) Passagen durch Fahrabschnitte (welche mich irgendwie an Superball aus dem Frühstücksfernsehen erinnerten) und Minispielen, die etwas von Guitar Hero hatten. Nichts überschwänglich Tolles und neues, aber darum geht es Valiant Hearts auch nicht. Es ist vielmehr eine Charakterzeichnung von vier Protagonisten, die den Irrsinn des Krieges aufzeigen und anprangern möchte.
Shellshock

Wie schon geschrieben, werden sich die Agierenden im Spielverlauf wandeln. Der Spieler wird aber auch bei sich derartige Wechsel im Gemüt feststellen. Rannte man anfangs noch euphorisch in die erste Schlacht, ist man zum Ende schon regelrecht angefressen, wenn man durch den Schlamm rast, überall Bomben fallen, Maschinengewehre knattern und man die Gesichter der Schützen nur im hellen Mündungsfeuer erkennt. In dem Moment konnte ich die Gefühlswelt von Emile regelrecht greifen. Die Story ist im Groben auch gut, trägt nur manchmal etwas zu dick auf, für meinen Geschmack. Besonders die Rolle des Gegenspielers „Baron von Dorf“ fiel mir negativ auf. Den hätte es nicht gebraucht, dient er wirklich nur als personifiziertes Feindbild, wovon ich weiter oben sprach. Er ist die Nemesis des Spiels und so „subtil“, sein Name könnte auch „Doktor Mord“ lauten. Ironisch fand ich es aber, dass auf der Spielerseite mit Freddie ausgerechnet der Amerikaner den Widerpart des Baronen gibt. Sieht für mich etwas nach einer Konsensentscheidung aus, damit man auch ja einen Bosskampf für das amerikanische Publikum liefern kann. Ein Stilmittel in der Erzählung wird mir auch eine Spur zu häufig genutzt. Das hatte sich nach dem ersten Mal schon abgenutzt. Spoilern möchte ich es nicht, es hat halt etwas mit Deus Ex Machina zu tun. Trotzdem gehört Valiant Hearts zu der Riege von Spielen, die man unbedingt gespielt haben sollte. Selten wurde so Schreckliches in so „schönen“ Bildern gezeichnet und seit langer Zeit war ich mal wieder so richtig emotional dabei. Ich ziehe meinen Hut, vor so viel Mut und Detailliebe bei einem solch schwierigen Thema!

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Valiant Hearts - The Great War
Chapeau! Eine wirkliche Glanzleistung von einem Spiel und eine emotionale Wuchtbrumme. Kleinere Gameplaystörungen und Schwächen in der Story verzeihe ich hier gerne. Pflichtdownload!

9Gesamtwertung