Wie ihr im vorherigen Bericht zu Tron: Evolution lesen konntet, hatte ich mir ja noch einen Titel im Urlaub zugelegt.
Ohne große Umschweife also zu Enslaved: Odyssey to the West.
Noch eine weitere Vorwegnahme: Ich hab mir das wahrlich bessere Spiel bis zum Ende des Urlaubs aufbewahrt.

„Grün?“
„Ja, mann. Super-Grün!“

Man übernimmt die Steuerung von Monkey. Viel mehr erfährt man auch anfangs gar nicht. Man wird direkt in diese Welt sprichwörtlich rein geworfen. Gefangen in einem Sklavenschiff muss man sich im Tutorial Level aus diesem befreien, lernt neben der Steuerung noch den zweiten Hauptcharakter kennen, kurz Trip genannt. Nahezu sofort fühlt man sich für sie verantwortlich, möchte sie beschützen. Das haben die Entwickler gut hingekriegt. Besonders die Gesichtsanimationen sind fabelhaft. Okay, steckt ja auch Vorzeige-Motion-Capturer Andy Serkis (Gollum, King Kong) hinter Monkey, der ihm im Original auch noch die Stimme leiht.
Sobald man das Schiff verlässt, um auf der Außenhaut rumzuturnen, fällt einem gleich noch etwas auf: Die grandiose Grafik.
Wow. Welche Weitsicht. Welch Fremder, aber wunderschöner Stil. Ich konnte mich gerade schnell genug davon lösen, um nicht mit der Fackel der Freiheitsstatue zu kollidieren. Moment, Miss Liberty? War ich erst davon ausgegangen, dass das ganze in einem weit weit entferntem Universum spielt, eröffnete sich mir so langsam das wahre Areal, hier New York City. In einer fernen, apokalyptischen Zukunft. Die Menschheit mochte sich mal wieder nicht mehr so sehr und baute Mechs, um sich gegenseitig auffe Köppe zu hauen. Leider wurden diese Mechs ohne Aus-Schalter gebaut, so dass diese auch weiterhin auffe Köppe hauen, selbst nachdem die Welt schon Mehr oder Weniger in Trümmern liegt.
Willkommen also in der Welt von Skynet. Wenn Sie jetzt links aus dem Fenster schauen, sehen Sie Zion.
Jetzt frage ich euch aber: Welche Farben verbindet ihr mit solche einem Szenario?
Vielleicht Grau, Blau und Schwarz, wie in Terminator oder Matrix? Oder doch eher Brauntöne, wie in Mad Max oder Book Of Eli? Bei mir war es jedenfalls so.
Enslaved bringt eine Neue Farbe ins Spiel: Grün.
Das zerfallene New York „erstrahlt“ im schönsten Grün, aufgrund der ganzen Überwuchungen und es sieht einfach phantastisch aus! Lustigerweise hatte ich kurz zuvor eine Doku (Schock!) auf NTV (HOLLA!) gesehen, wie die Welt in XXX Jahren ohne den Menschen aussehen würde. Ähnelte sich doch stark, doch statt Ihrer billigen CGI hätten die mal lieber Enslaved zeigen sollen.
Grün bleibt auch größtenteils das dominante Farbschema, fast komplett bis zum Schluss. Erst die letzten Level laufen dann mehr in Erdtönen ab.
Optisch passt es also schon mal, eine Verbundenheit zu den Charakteren besteht auch sehr schnell.

green Gameplay

Was machts Gameplay?
Vieles richtig! Wir haben hier einen Vertreter des Hüpfen und Kloppen Genres. Fast total ausbalanciert verbringt man das Spiel erklimmend und zerstörend. Die Kletterpartien laufen schnell und einfach von der Hand, was nach den Tronschen Würgepartien die reinste Wohltat waren, die Mechzerstörungen auf der anderen Seite sind abwechslungsreich und leicht taktisch, da jeder Robot anders angegangen werden muss. Man schwingt dazu einen Zauberstab, mit dem nicht nur gedroschen, sondern auch geschossen werden kann. Selbstredend heutzutage kann man die, durch einsammeln so genannter Techorbs, gewonnene XP fürs aufleveln benutzen.
Die Kamera folgt die meiste Zeit Monkeys Rücken, in bestimmten Arealen bleibt sie aber statisch. Dies kann zu Komplikationen kleinerer Natur führen, die meiste Zeit hat man aber alles sicher im Griff und im Blick.
Grünes Licht aus allen Abteilungen also bisher. Kommen wir zu meinem Sorgenkind, dem Sound.
Ich weiß nicht, ob das an meinen TV Einstellungen lag, oder ob die X-Box Version davon befallen ist, aber die Dialoge in den Zwischensequenzen sind übelst leise (it´s not a bug – it´s a feature!). Ich musste deswegen Untertitel einstellen, sonst hätte ich manche Sätze überhaupt nicht mitbekommen. In einer weiteren Szene kam es mir so vor, als ob dem Orchester keiner gesteckt hatte, dass ich gestorben war und neu anfangen musste. Die spielten einfach weiter, was natürlich gar nicht mehr passte. Erst ein Spielneustart konnte dies beheben. Ansonsten ist der Score gut, die deutschen Stimmen passen auch, wenn man sie denn hören kann.

literarische Qualitäten

Aber Schluss mit den technischen Gesichtspunkten. Das Spiel ist soviel mehr. Ist die Story an sich noch mehr oder weniger Schema F, sind es vor allem die Charaktere und das Ende. Die Harmonie zwischen Monkey und Trip ist nahezu greifbar, eine herrliche Symbiose. Hinzu kommt im letzten Drittel noch Pigsy, ein alter Bekannter Trips. Ein sehr ambivalenter Haudegen, sowohl tollpatschig, hinterhältig, verschlagen, zuverlässig und insgesamt doch liebenswert. Innerhalb von 3 Leveln wird eine Charakterisierung vollzogen, die manche SpielREIHEN nicht hinkriegen.
Das Ende…kommt zwar etwas gerushed, aber es beantwortet viel und lässt gleichzeitig eine wichtige Frage offen, ironischerweise von einem Charakter gestellt. Ich werde es gewiss nicht spoilern, erlebt es einfach und lasst es auf euch wirken, es lohnt sich!

Selbst nach dem Ende ließ mich das Spiel noch nicht los. Ich hatte aufgeschnappt, dass sich die Macher reichlich an einer chinesischen Geschichte orientierten, namentlich ODYSSEY TO THE WEST. Jetzt habe ich mit asiatischer Folklore generös wenig am Hut. Mein „Wissen“ besteht deswegen nur aus einem überflogenen Wikipedia Artikel, doch selbst da konnte ich schon einige Vorlagen erkennen, beginnend bei den 3 Charakteren. Die findet man nämlich allesamt in der chinesischen Geschichte wieder. Sowohl namentlich, als auch charakterlich. So kann Trip(ikata, so der volle Name) sich in beiden Fassungen nicht wehren, sondern muss von Monkey (dessen Schal um die Taille nicht nur zufällig an einen Affenschwanz erinnert) beschützt werden. Selbst das Sklavenstirnband und das Cloud Hoverboard von Monkey finden sich in den Schriften wieder.
Ich finde es einfach unglaublich, was die Entwickler aus so einer Vorlage auf die Beine gestellt haben!

Kurzum: Ich hatte sehr viel Spaß mit Enslaved. Ein Beispiel dazu noch: Während des spielens poppte irgendwann der Erfolg auf, dass ich die Hälfte aller Techorbs im Spiel gesammelt hatte.
Normalerweise ist dies immer ein Grund zur Freude für mich. Dieses Mal war mein erster Gedanke: 
Mist. Jetzt hab ich schon über die Hälfte des Spiels geschafft.

kommerzieller Flop

Natürlich musste so ein Spiel mehr oder weniger floppen. Namco Bandai erhoffte sich einen Absatz von 1 Mio. Einheiten, verkauft wurden nur 460.000. Wirklich schade. Auch ich trage „Schuld“ daran. Hätte ich mir doch lieber ein anderes Spiel dafür gespart zu dem Zeitpunkt. Trotzdem bleibt noch etwas Hoffnung auf einen zweiten Teil.
Tut euch und mir den Gefallen und kauft es noch wenigstens zum Budget Preis.
Lohnen tut es sich.