Die Kunst des Entwicklerstudios Blizzard war noch nie die Innovation. Was Spiele wie Diablo, Warcraft und nicht zuletzt Starcraft so erfolgreich machte, war ein wohlschmeckender Eintopf aus bekannten und erprobtem Zutaten, liebevoll abgeschmeckt und serviert auf dem edelsten Porzellan und mit auf Hochglanz poliertem Besteck.

Schon der Installer von Starcraft 2 macht klar, dass nach mehr als einem Jahrzehnt der Wartens auf einen Nachfolger endlich Butter bei die Fische kommt. Während einige tausend Dateien auf der Festplatte landen, fasst ein mit epischer Musik unterlegter Monolog die Ereignisse des Ur-StarCraft und der Erweiterung Brood War zusammen. Dann geht es ab in’s Spiel – und was für ein Spiel es geworden ist!

Shotgun, Zerg and You

Die Einzelspielerkampagne Wings of Liberty erzählt die Geschichte von Wiederstandsheld Jim Raynor, der mit seinem rauhen Haufen von Space-Rednecks an drei Fronten die Hölle heißgemacht kriegt. Zum einen haben wir das terranische Dominion, beherrscht von einem ehemaligen Wiederstandskollegen, der sich inzwischen zum tyrannischen Diktator gemausert hat. Dann gibt es da noch die Zerg, schleimige Alptraummonster unter der Führung der Königin der Klingen, die einst ein Mensch war. Als ob das noch nicht genug wäre, kriegt es Jimmy auch noch mit den ebenso hochtentwickelten wie fanatischen Protoss zu tun, eigentlich Verbündete aus dem Brutkrieg, doch irgendwas zum darüber Streiten findet man ja immer.

Das Gameplay selbst ist oft ein schneller, atemloser Kampf um Überleben und Vorherrschaft. Nur selten hat man die Gelegenheit sich erstmal gemütlich in seiner Basis einzugraben und eine Übermacht aufzubauen. Taktik muss improvisiert werden, wer keine Risiken eingehen will, hat schon verloren. Um dieses Tempo überhaupt spielbar zu machen, ist das für den Vorgänger so typische Mikromanagement abgebaut worden, was man besonders an den Baufahrzeugen merkt. Diese reparieren jetzt beschädigte Einheiten und Gebäude ohne seperate Aufforderung, können direkt vom Hauptquartier aus zum Ressourcenabbau geschickt werden und sind auch in der Lage mehr als ein Gebäude hintereinander zu errichten. Dazu gibt es bei der Verkettung von Aufträgen endlich vernünftiges visuelles Feedback, alles funktioniert einfach ein Stückchen besser.

If it ain’t broken, don’t fix it

Änderungen an der gewohnten Echtzeitstrategieformel haben die Entwickler nur sehr behutsam eingesetzt. Weites Herauszommen? Kostet nur Rechenzeit. Drehbare Karte? Verwirrende Spielerei. Stattdessen gibt es eine verzweigende Kampagne und pro Level drei von den regulären Missionszielen unabhängige Achievements, die den Spieler von ausgetretenen Pfaden fortlocken und dazu animieren, seine Fertigkeiten zu verbessern. Alle Sonderbelohnungen kann man sich nur verdienen, wenn man die Schwierigkeitsstufe erhöht.

Um die Geschichte voranzutreiben, haben sich die Entwickler von einer anderen epischen Weltraumoper inspirieren lassen. Wie in den Wing Commander – Spielen kann sich Raynor zwischen den Missionen auf seinem Flagschiff herumtreiben und mit verschiedenen Personen aus seiner Crew sprechen. Doch auch spielerisch gibt es auf der Hyperion etwas zu tun. Um die Forschungsarbeit auf dem Schlachtfeld zu entschlacken, wurde einen Großteil der Upgrades auf das Arsenal und das Labor verteilt. Im Arsenal investiert man während der Missionen verdiente Credits, im Labor dreht sich alles um aufgesammelte Zerg- und Protoss-Artefakte, mit denen angewandte Alientechnologie freigeschaltet wird. In der Kantine dreht sich alles um die Auszeit. Auf dem Fernseher läuft eine Propagandasendung, die das letzte Terrormassaker der Rebellen kommentiert und ein Spielautomat lädt zu einer launigen Runde Vertikalballerei ein. Okay, Credits kann man auch hier loswerden. Söldnertruppen wollen unter Vertrag genommen werden, die Raynors Raiders im Kampf unterstützten.

Besonders Fans des kultigen Space-Westerns Firefly werden viel Spaß an der Einzelspielerkampagne haben. Wenn man mit einem bewaffneten Trupp raketengetriebene Züge aufbringt oder ein Sendezentrum erobert, um dem Volk des Dominions die Wahrheit über seinen geliebten Imperator zu verkünden, fühlt man sich immer wieder an die Serie oder den Kinofilm Serenity erinnert. Die entsprechend interpretierte Levelmusik tut dazu ihr übriges.

Emperor of Multiplayer

„Stac“ ist natürlich nicht mit seinem Einzelspielermodus zum südkoreanischen Volkssport aufgestiegen. Gerade wegen seiner Popularität in E-Sportkreisen kann man sich eigentlich kaum in ein Onlinespiel trauen – wer kein Topspieler ist, wird zum Frühstück verspeist. Hier hat Blizzard nachgerüstet – besonder knackige Herausforderungen, von denen eine nur mit Tastaturkommandos bestritten werden muss, bereiten den Spieler auf die harte Onlinewelt vor. Eine spezielle Anfängerliga und Übungsmatches gegen die AI sollen dem überarbeiteten Battle.net eine realistische Einschätzung der Fähigkeiten des Spielers ermöglichen. Ich werde mich trotzdem erstmal auf Spiele gegen Kollegen beschränken.

Ein weiteres Spielfeld tut sich mit dem generalüberholten Leveleditor auf, der mit dem Hauptprogramm ausgeliefert wird. Findige Mapmaker haben damit bereits einen Nachbau des PSN-Titels Fl0w erstellt, auch andere Genres wie 3D-Shooter und Rundenstrategie können mit der Spielengine umgesetzt werden.

Dubious Practices

Also – kaufen, kaufen, kaufen? Nicht unbedingt, denn trotz eines unglaublich runden Gesamtpakets hinterlässt die Wiedervereinigung mit der alten Liebe einen faden Beigeschmack. Das liegt weniger am Spiel selber – obwohl die Kampagnen der Zerg und der Protoss als eigenes Spiel erscheinen werden, ist der Umfang mehr als ausreichend – sondern an der gnadenlosen Integration der Onlineplattform Battle.net als Kopierschutzmaßnahme. Mir ist es während des Testens mehrfach passiert, dass das Spielen aufgrund von Serverproblemen ausfiel – dann geht es auch solo nicht weiter.

Da müssen die in der Spielepackung enthaltenen Freundescodes, die StarCraft 2 als zeitlich begrenzte Demoversion starten, für Veteranen geradezu wie ein Schlag ins Gesicht wirken. Die erinnern sich nämlich noch ganz genau daran, dass man mit einem Original-StarCraft unbegrenzt viele Multiplayerkopien erstellen und dann mit all seinen Freunden im LAN spielen durfte. Gute alte Zeit.