Es müssen hunderte sein. Ganze Schränke sind vollgestopft mit Filmen und Spielen. Die Rücken der DVD-Hüllen jedes einzelnen Exemplars sind allesamt höchst mannigfaltig gestaltet. So entsteht ein buntes Durcheinander an farbigen Streifen mit mehr oder weniger kreativen Schriften drauf. Manchmal sind auch Schauspieler oder Logos draufgedruckt, in seltenen Fällen sogar eine Altersfreigabe. Neben den schmalen Hüllen sind auch dicke Brocken vorhanden, etwa Serienboxen oder spezielle Sonderversionen von Blockbustern oder Kultstreifen. In anderen Ecken sind sie mit einer speziellen Farbe auszumachen. Eine komplette Bank beispielsweise ist grün, dass können also nur X-Box Spiele sein. Woanders sind einige weiße Hüllen aufgereiht; eindeutig Wii-Spiele. Und je länger man sich mit dieser großen Sammlung beschäftigt, umso mehr wird man erkennen, dass das bunte Durcheinander Struktur hat: Hier die Serien, da die Horrorfilme, dort die Asia-Ecke. Alles andere als willkürlich also?

Das ist die Frage, die du dir irgendwann stellst, wenn du leidenschaftlich Medien sammelst. Am Anfang ist es vielleicht eine Sammlung von zehn, vielleicht zwanzig DVDs, die du dir erst nach sorgfältiger Recherche und tausendfacher Überlegung zugelegt hast. Erste Schritte auf neuem Terrain wollen schließlich gut überlegt sein. So kommen deine Freunde zu Beginn noch in deine Wohnung und sagen entzückt „Hach, das ist ja eine feine kleine Sammlung!“. Doch je größer diese wird, desto höher bewegen sich die Augenbrauen deiner Besucher. Niemand wundert sich über ein volles Regal mit Büchern, doch bei audiovisuellen Medien wird automatisch auf die persönliche Freizeitgestaltung und Finanzverwaltung geschlossen, die ja so vielseitig gar nicht sein kann. Viele DVDs im Regal? Der steht doch jeden zweiten Tag in der Videothek und kennt jeden Film! Viele Spiele im Regal? Woher nimmt diese Person überhaupt die Zeit zum Spielen? Da muss man doch sozial degenerieren! Und überhaupt: Fließt da etwa das ganze Geld hin? Das könnte man doch viel sinnvoller investieren!

Freunde, die dir lieber und näher sind, wissen vermutlich, dass ein großer Teil davon nur naive, manchmal böswillige Vorwürfe sind. Und auch du zuckst bei vielleicht hundert, meinetwegen auch hundertfünfzig Titeln noch mit den Achseln. Du hast ja auch fast so viele Bücher, bist auch anderweitig interessiert und nur in der Bude hocken ist dir fremd. Dann kommt der Tag, an dem du das Internet als Kaufbörse entdeckst und du plötzlich herausfindest, wo und wie du am günstigsten an deine Wunschtitel herankommen kannst, teils weit unter dem Preis, die hiesige Großketten von dir verlangen. Schon vorher hast du dich bereits in Foren und Rezensionsseiten über Titel schlau gemacht. Dann einfach parallel in einem anderem Browser-Tab den Namen in die Suchmaschine des Shops eintippen – das könnte nicht einfacher sein. Auf den Einkaufswagen klicken, Infos eingeben, „OK“ anklicken, gekauft. Jeden Tag auf den Heimweg denkst du darüber nach, ob dir der Postbote vielleicht ein Päckchen gebracht hat. Oder du befürchtest, dass der Zoll deine Auslandsbestellungen verwahrt und du ans Ende deiner Stadt zum Amt tuckern musst, nur um dann noch einen prozentualen Teil des Warenwerts draufzuschlagen. Wie ärgerlich.

Durch das Internet wirst du auch auf spezielle Titel aufmerksam, die dich nicht nur wegen ihres für dich sehr interessanten Themas, sondern auch wegen der Exklusivität reizen. Deine Sammlung war ja ohnehin schon Genrespezifisch, hat sich auf zwei, drei Gebiete begrenzt, die du am liebsten magst. Limitierte Sonderversionen des neuen Films von deinem absoluten Lieblingsregisseur oder ein empfehlenswertes Spiel von deinem favorisierten Genre, welches nur auf anderen Kontinenten erschienen ist? Keine Frage, dass muss in deine Sammlung! Nach und nach ergatterst du Exemplare von Medien, die du nicht einfach im Laden kaufen kannst und du gewinnst immer mehr an Perlen, auf die du stolz sein kannst. Du hast schließlich Nerven und Hartnäckigkeit gebraucht, um an sie heranzukommen. Auch wenn viele deiner Besucher keine Ahnung haben, wie wertvoll manche Schätze in deinem Regal sind: Während du mit geschwellter Brust von einer Jagd erzählst, lässt du sie die Beute vorsichtig mit eigenen Händen begutachten. Dieses Glitzern in deinen Augen wirkt überzeugender, als der Artikel in der Hand. Nicht zuletzt, weil du schon über dreihundert in petto hast.

Doch letztendlich sammelst du für dich selbst. Auch wenn du die allermeisten Filme oder Spiele nicht ein zweites Mal konsumieren wirst, denkst du nicht daran, bereits gesehenes oder gespieltes zu verkaufen. Und da ist der Vergleich mit Büchern vielleicht gar nicht so unangebracht, denn ebenso wie bei guter, möglicherweise sogar spezieller Literatur ist es der theoretisch jederzeit mögliche Zugriff auf eine auserwählte, gut sortierte Sammlung, die dich ebenso belebt wie beruhigt. Vielleicht hast du damals wahllos angefangen, doch im Zuge der ansteigenden Titel hast du an Geschick für die Auswahl gewonnen. Bevor du jedoch zu dieser Erkenntnis kommst, könnte es vielleicht passiert sein, dass du dich in Rage gesammelt hast. Vielleicht ist dir dies passiert, als du das Internet als geniale Einkaufsmöglichkeit entdeckt hast. Möglicherweise aber auch, als du einen ordentlichen Zuschuss von deinem Arbeitgeber bekommen hast. Als am Ende des Geldes noch soviel Monat übrig ist, wird dir erst die Gefahr deiner Sammlerleidenschaft bewusst. Du und deine Artgenossen sind vor allem zu marktstrategisch wichtigen Zeiten arg gefährdet. So sind etwa die letzten zwei Monate im Jahr für dich die Hölle, weil alle Hersteller ihre großartigsten Titel für das Weinachtsgeschäft veröffentlichen. Und in diesem Moment, in dem du vor deinem Regal stehst und diese gigantische Sammlung betrachtest, fragst du dich mit kaum noch Geld in der Tasche: Ist all das willkürlich? Macht mich all das glücklich?

Du wirst nach der ersten finanziellen Ebbe vorsichtiger sein, deine Auswahl weiter einschränken, vorher noch mehr recherchieren oder mehr Gebrauchtartikel kaufen, aber letztendlich wird dein Film- oder Gamerherz mit Sammlerambitionen rufen:
Ja, das macht mich glücklich. Nicht so glücklich, wie es viele andere Dinge tun, aber es ist ein nicht geringfügiger Teil meines Lebens, dem ich mich gerne widme. Ich bin nicht nur medieninteressiert, ich atme Kultur durch die Erfahrungen, die ich mit diesen internationalen Kunstwerken mache. Ich bin bewandert und daher Berater; habe viel unterschiedliches kennengelernt und bin durch meine dadurch gebildete differenzierte Meinung disputfreudig. Vielleicht halten mich manche für verrückt, oder ich bin manchmal davon abgelenkt, verärgert, erfreut. Aber ich bin es.
Ich bin Jäger und Sammler.