Es soll ja solche Menschen geben, die quasi täglich den neuen Kick suchen. Manche machen dies nur im kleinen Rahmen und bauen kleine Kniffe in ihr alltägliches Leben ein. Zum Beispiel einen Bus später nehmen, um zu sehen, ob man noch pünktlich zur Arbeit kommt. Im schlechtesten Fall gibts dann Anschiss vom Chef. Man kann auch mal versuchen, einen fremden Einkaufswagen im Supermarkt mitzunehmen, im Glücksfall von einer hysterischen Hausfrau, die einen qualitativ hochwertigen Regenschirm dabei hat. Andere gehen etwas weiter und fahren mit ihrem Auto über Strecken, die für Blitzgeräte berühmt sind. Immer mit mindestens 30 mehr auf dem Tacho, als eigentlich erlaubt ist. Manchen ist auch das langweilig geworden. Also nähern sie sich Sportarten, die ein wenig mehr verlangen als gegen einen Ball zu treten. Kopfüber über tiefe Schluchten hängen zum Beispiel. Oder Bungiejumping mit einem Seil, dass man vorher nicht geprüft hat. Ja, es gibt unzählige Möglichkeiten, seine Freizeit etwas aufregender zu gestalten, aber wer wirklich absolut wahnsinnig ist und den ultimativen Adrenalinkick sucht, versucht den Nintendo Wii am Erscheinungstag zu erhalten. von wegen „gemütlich“ Dave und ich haben genau dies versucht. Irgendwann um 8.00 Uhr Freitag morgens haben wir uns in der Innenstadt von Dortmund getroffen, um ersteinmal gemütlich ein Frühstück zu uns zu nehmen und danach ebenso gemütlich in den Saturn zu gehen, um den Wii dort abzugreifen. Unbeeindruckt von den Berichten aus Japan, wo die Leute die gesamte Nacht über vor dem Laden gestanden haben und durch die Verteilung von Reservierungscoupons das Gerät quasi schon vor Geschäftsöffnung ausverkauft war. Auf dem Weg zum Cafè sind wir an der Saturnfilialie vorbegegangen und konnten bereits die ersten Personen ausfindig machen. Es waren gerade mal rund zehn, aber Nintendo hätte das Bild trotzdem nicht wirklich gefallen. Statt everyday-people, wie sie in der Promotion der Wii auftauchen, standen dort die nerdigsten Nerds, zumindest, was deren Aussehen betraf: Blasser Teint, dicke Brillen, pinguinartige Körperhaltung. Dazu noch eine Gitarre und eine Decke zum draufsetzen. Aber, ironischerweise sind wir beide ja selbst nicht besser, wenn wir versuchen, zum Launch eine Konsole abzugreifen, nur um als erste zu SPIELÄÄÄN. Wenn Saturn öffnet, werden es vielleicht zwanzig sein, dachten wir, und haben uns seelenruhig ein üppiges Frühstück reingezogen (mit Betonung auf „üppig“). Denkste: Als wir gegen 9.30 vor dem Saturn standen … waren wir die einzigen, die da überhaupt noch standen. Der kluge Geschäftsleiter muss wohl die brillante Idee gehabt haben, das Geschäft ein paar Minuten vorher zu öffnen, um den Kundendrang besser handhaben zu können. Schon mit einem leichtem Anflug von Panik sind wir die Rolltreppen hochgestürmt und erblickten eine Schlange von rund fünfzig Personen. Weit und breit keine Wii zu sehen. Es hat schon ein paar Sekunden gedauert, bis wir kapiert haben, dass wir uns an der Informationstheke einen Zettel für die Warenausgabe holen mussten. Übrigens sah hier das Bild der wartenden schon anders aus: Es waren tatsächlich die unterschiedlichsten Personengruppen zu sehen, anstelle von den obligatorischen jugendlichen Videospielfreaks. neue Taktiken Angesichts dieser enormen Warteschlage klügelte ich in sekundenbruchteilen einen Plan B aus. Ich schlug vor, schnell zum etwa 200 Meter entfernten Karstadt zu stürmen, um zu sehen, wie dort die Situation aussieht. Schon leicht verzweifelt stimmt Dave zu. Die Warteschlange, die sich bei Karstadt gebildet hatte, bestand jedoch nur aus Personen, die eine Vorbestellung getätigt hatten. Wiis für die Risikoliebhaber, die dies nicht getan haben, wurden nicht rausgegeben. Also direkt nochmal Dave anrufen, um ihn zu sagen, dass er BLOß in der Schlange stehenbleiben soll. Dann für mich der Schock: „Ich habe schon einen!“ tönt es aus dem Handylautsprecher, noch bevor ich überhaupt mein Anliegen darbieten konnte. Wie war das möglich? Wie konnte sich eine Schlange von rund fünfzig Personen so schnell abbauen? Noch während diese lebenswichtigen Fragen durch mein Hirn rauschen, kommt eine weitere Information durch das Handy an mein Ohr: „Die Schlange ist weg. Beeil` dich!“ Kennt ihr den Film „Lola rennt“? So in etwa könnte das ausgesehen haben, als ich durch den Regen zu Saturn zurückgestürmte, die Rolltreppen erklomm und schnurstracks die Theke angesteuerte. Durchnässt und völlig außer Atem frage ich nach dem Wii und bekomme einen von den drei letzten Zetteln in die Hand gedrückt. Das Gesicht des Verkäufers hättet ihr sehen sollen. gnadenlose Verkäufer Da haben wir sie also, die Wii. Während sich mein Puls wieder senkt, suche ich mir noch „Rayman Raving Rabbits“ und „Red Steel“ aus dem Regal, während Dave feststellt, dass das Gerät innerhalb von 20 Minuten vergriffen war. Da die Verkäufer pro Forma nur ein Gerät pro Person rausgegeben haben, hat sich Dave einiges einfallen lassen, um noch einen zweiten Zettel für mich zu bekommen. „Also ich hab da einen Kollegen … er würde sich sehr freuen … steht unten … also … und, öh, …. Rollstuhl … armer Junge … wäre wirklich, wirklich lieb von ihnen … er will doch nur spielen … also wenn sie ein Herz haben, geben sie mir bitte noch einen Wii dazu.“ Allerdings hatte der Verkäufer wohl kein Herz oder den Braten gerochen. Ich nenne diesen Tag das „Wii-Launch-Adventure“, auch wenn keiner von uns beiden Peitsche und Hut dabei hatte. Wäre vielleicht gar nicht so schlecht gewesen. Dann hätte Dave den Verkäufer vielleicht doch noch überzeugen können. „Wii! Sofort!“ *peitsch*