Meine erste Reaktion auf die Ankündigung von „Dead Space: Extraction“, einem Ableger des großartigen Sci-Fi-Horrorspiels für die kleine Wii, war nicht unbedingt eine positive. Ich bin zwar für jedes neue Material aus einem meiner neuen Lieblingsszenarien dankbar, doch war meine Skepsis angesichts des gewählten Genres größer als meine Vorfreude. Extraction sollte nämlich nicht ein Survival Horror-Spiel mit starken Action-Einschlag werden, sondern ein Railshooter im Sinne eines House of the Dead. Prinzipiell ist also keine freie Fortbewegung möglich. Während die Kamera so etwas wie einen Film abspult, zielen wir mit einem Fadenkreuz auf Objekte und bekommen durch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit nie das Gefühl, selbst in der Haut des Protagonisten zu stecken. Wie sich aber herausstellen sollte, waren alle meine Bedenken für die Katz. Dead Space: Extraction ist zwar nach wie vor „nur“ ein Railshooter, aber verdammt nochmal: Es ist der vielleicht beste, den ich bisher spielen durfte!

irgendwie dokumentarisch

Das liegt zum einen daran, dass man die Kamera nicht auch im mechanischen Sinne auf Schienen hat laufen lassen, sondern eher eine subjektive Sicht im Sinne eines Blair Witch-Projects verwendet hat. Es befindet sich also nicht immer alles im abstrakten, perfektem Sichtfeld, der sich anfühlt wie „auf Schienen“. Rennt die Hauptfigur, so fängt auch die Sicht an stark zu verwackeln. Es wird je nach Interesse der Figur fokussiert und geschwenkt. Reisst unsere Spielfigur den Kopf herum, macht auch die Kamera eine entsprechend schnelle Bewegung. Der anfängliche Mangel keinen direkten Einfluss auf die Bewegungsrichtung zu haben verliert relativ schnell an Bedeutung, da man innerhalb kurzer Zeit durch diese stark subjektive Darstellungsweise den Eindruck bekommt, tatsächlich teil des Geschehens zu sein. Das macht das Zielen mit dem Fadenkreuz schwieriger, und auch die Orientierung geht bei besonders hektischen Situation durchaus mal verloren, aber all das ist fester Bestandteil der Spielerfahrung.

Und das ist eine, die man so schnell nicht vergisst. Erzählt werden die Ereignisse in der Kolonie kurze Zeit vor dem Beginn des Originals. Wer nicht weiß von welcher Kolonie überhaupt die Rede ist, sollte tunlichst den ersten Teil der Reihe nachholen, da bereits die erste Mission eine Reihe von Spoilern enthält. Gespielt wird nicht ein einzelner, sondern verschiedene Protagonisten, was nicht nur spannende Parallelhandlungen zulässt, sondern auch über die Schicksale der Figuren im Ungewissen lässt. Richtig sicher ist in Extraction keiner und da man die meiste Zeit mit anderen Überlebenden unterwegs ist, geht ein Spannungsfaktor von der simplen Frage aus: Wer wird überleben und wer nicht?
Sich in einer Gruppe fortzubewegen scheint für ein Horrorspiel zunächst auch nicht unbedingt der richtige Weg zu sein Angst zu vermitteln, aber den Entwicklern ist eine Sache glücklicherweise klar geworden: In einem Railshooter wird folglich geschossen bis zum Abwinken, daher ist es wohl am sinnvollsten die Schießereien in Fluchtsituationen zu verpacken. Extraction ist also primär eine Hatz durch düstere, lebensfeindliche Sci-Fi-Szenarien, in der kaum Zeit zum Atmen bleibt. Leerlauf gibt es selten, und wenn, dann dient dieser dazu eine ganze Welle neuer, teils sehr überraschender Ereignisse auf den Spieler einbrechen zu lassen. Das dabei auch verstörende Momente ihren Platz finden, wie etwa klaustophobische Szenen in einem Lüftungsschacht, ist fast so ein Kunststück, wie es dem Original gelang. Fast, denn den Umständen entsprechend und aufgrund seiner hohen Geschwindigkeit brennt sich das Geschehen von Extraction nicht ganz so stark ins Gedächtnis wie damals.

Schütteln: Mittendrin, statt nur dabei!

Die atmosphärisch dichtesten Szenen finden aber auch hier in der Dunkelheit statt, bei dem ein ganz besonderer Kniff zum Einsatz kommt: Das Glühwürmchen. Das ist ein anderer Name für eine Art Leuchtstab, der geschüttelt werden muss, damit er für eine kurze Zeit die Umgebung in ein grünliches, gespenstisches Licht setzen kann. Und schütteln im Spiel heisst in der Realtät: Schütteln der Wiimote. Das klingt zunächst anstrengend, ist aber ein genialer Trick um den Spieler dichter in das Spielgeschehen hineinzuziehen. Lässt das Licht das Würmchens nach, wird es nicht nur schwieriger Items und angreifende Monster zu erkennen, sondern man steht den Halluzinationen, die einen schon sehr bald heimsuchen, noch hilfloser gegenüber als bei Helligkeit. Von den alptraumhaften Erscheinungen gibt es viele, doch sie sind sogar noch unheimlicher, wenn man nur ihre Geräuschkulisse in Form von flüsternden Stimmen und verzerrten Hilferufen im Dunkeln hört. Man will ja irgendwie doch sehen, wo das alles herkommt – auch wenn man trotz Licht ebenso verunsichert sein wird.
Der Einsatz der etwas speziellen Wii-Steuerung ist zudem brilliant. Sie lässt sich nicht nur in ihrer Empfindlichkeit frei konfigurieren, sondern sie ist sowohl leicht zugänglich, als auch involvierend. Während man mit der Fernsteuerung die Zielerfassung kontrolliert, dient das Schütteln des Nunchuk zum Nachladen und der dortige Z-Trigger zum Aktivieren von Objekten. Der C-Button dient zudem dazu den aus dem Original bekannten Gravitationstrahl zu aktivieren, mit dem Items wie Verbandskästen und Munition eingesammelt werden kann. Diese Funktion steht jederzeit zur Verfügung, so dass quasi im jedem Moment die Umgebung aufmerksam betrachtet werden muss, wenn man denn kein Item verpassen möchte. Eine gute Methode, um die Aufmerksamkeit des Spielers zu behalten. Zielt man aus dem Bildschirm heraus und schüttelt das Nunchuck, so führt man einen Nahkampfangriff mit einer nicht näher definierten Nahkampfwaffe aus. Der Effekt dabei ist eher klein und man greift in der Regel nur in Notfallsituationen darauf zurück. Wobei „nur“ da fast gestrichen werden kann, denn in Bedrängnis kommt man bei Extraction oft genug.

Ebenso involvierend ist der Einfall gefundene Audiologs über den Lautsprecher der Wii-Mote ablaufen zu lassen, während das Geschehen auf dem Schirm weiterläuft. Es hat schon etwas mitreißendes gerade von einem Haufen kreischender Monster angefallen zu werden, während das Log von dem Ableben eines Menschen erzählt. Die entsprechenden visuellen Eindrücke zu liefern fällt Extraction zudem nicht schwer: Das Spiel sieht bis auf die Auflösung und ein paar reduzierten Details so ziemlich genauso gut und furchteinflößend wie überzeugend aus wie das Original. Noch immer sind es lebensfeindliche Orte, an denen man am liebsten nicht sein möchte. Das zum Beispiel der Abschnitt im Kanalisationssystem so bedrückend wirkt, liegt allerdings nicht nur an der tollen Grafik, sondern sogar noch stärker an dem meisterhaften düsteren Klangteppich. Während die passenden Hintergrundgeräusche in allen Frequenzen aus den Boxen dröhnen, wabert eine Tonebene aus beunruhigenden Streichern unaufhörlich im Hintergrund, um stets das Gefühl von Unsicherheit zu vermitteln. Zuschlagen tut das Orchester dann selbstredend im richtigem Moment, aber wann das passiert ist genauso unvorhersehbar wie die spannende Geschichte selbst.

zweierlei

Leider ist der ganze Spaß aber nach etwa sechs Stunden vorbei und zum Schluß bleiben nur ein arcadiger Challange-Modus mit leicht veränderten Abschnitten und immerhin alle Comics zum Spiel in animierter Form. Einlegen wird man Extraction aber trotzdem noch einmal, weil der 2-Spieler-Modus das Zeug dazu hat mehrmals vor den Schirm zu locken. Generell passiert so viel gleichzeitig, dass man auch die Aufgaben untereinander aufteilen kann. Egal ob das zweite Fadenkreuz dazu genutzt wird nur einen Bereich des Bildschirms abzudecken oder explizit nach Gegenständen zu suchen: Der 2-Spieler-Modus mindert zwar den Horroreffekt, doch der Unterhaltungswert wird sogar noch etwas gesteigert.

Am Ende bleibt für Dead Space: Extraction eine klare Empfehlung. Wer auch nur ein wenig etwas mit Railshootern anfangen kann und dem düsterem Sci-Fi-Horror-Szenario nicht abgeneigt ist, wird mit diesem Ableger seine helle Freude haben. Extraction ist kein billiger Ableger für die Wii, wie man es sonst von der Branche gewohnt ist, sondern eine vollwertige, auch storytechnisch sinnvolle Addition zur Serie.